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Projekt Moses/Moritz Berlein
Protokoll der Polizei-Direktion der Provinz Niederhessen
betreffend Beschädigungen am Eigentum von Juden in Rotenburg

geschehen Cassel, am 1. Mai 1848


Erschienen und stellen vor:

I. Israelit Leyser Linz aus Rotenburg, Colonial- und Manufakturwarenhändler:
Seit sieben Wochen werden die Juden in Rotenburg durch Exzesse gegen ihr Eigentum beunruhigt, namentlich sind mir schon mehrere Male die Fenster eingeworfen bzweise eingeschlagen worden; man ist so eingeschüchtert, daß man das Haus nicht verlassen mag. Am Mittwoch, den 26. v. M., gegen Abend, versammelte sich wieder ein Haufen Ruhestörer vor meiner Wohnung, welche sich mit Äxten bewaffnet hatten und damit meinen Laden einschlugen. Kisten wurden auf die Straße geworfen und mit den darin befindlichen Waren zertrümmert und weitere Beschädigungen im Laden selbst angerichtet. Den Verlust kann ich zu 25 Taler anschlagen. Der Herr Justizbeamte Weber hat dieserhalb am folgenden Morgen die gerichtliche Untersuchung eingeleitet und ich habe eine verdächtige Person zu Protokoll bezeichnet.
Wenn nicht Hilfe von Cassel aus nach Rotenburg gesendet wird, so sind die Juden dortselbst und deren Eigentum der größten Gefahr ausgesetzt, denn die dortige Bürgergarde ist, obgleich sie allnächtlich die Wache bezieht und die Ruhe und Ordnung zu erhalten bemüht ist, nicht im Stande, dem Unfuge zu steuern. Ich will daher dringend bitten - und zu diesem Zwecke bin ich hierher gekommen -, in der einen oder anderen Weise Hilfe für die bedrängten Juden in Rotenburg zu schaffen.

V. (=vorgelesen)  u. g. (=genehmigt)


II. Israelit Geisel Birnbaum aus Rotenburg, Manufakturwarenhändler:
Ich vereinige mich mit der Aussage des p. Linz, namentlich mit dem Antrage desselben auf Beschaffung von Hilfe. Auch mir sind seit einiger Zeit schon vier Mal die Fenster eingeworfen worden; eine Mauer mit Staketen zur Umfriedigung meines Hofes ist total abgebrochen, meine Haustür mit Äxten eingeschlagen worden. Kein Abend vergeht, wo nicht Steinwürfe nach meinem Hinterhause gerichtet werden. Das Justizamt hat übrigens von allen diesen Vorfällen Kenntnis erhalten.

V. u. g.

Zur Beglaubigung
(gez.) Nordmann



Quelle: Staatsarchiv Marburg, Bestand 180, Landratsamt Rotenburg, Nr. 428 (Verhandlungen, die an einzelnen Ortten des Kreises Rotenburg eingetretenen Störungen der Ruhe und Ordnung sowie gewaltsame Eigentumsbeschädigungen und Exzesse, 1848)