Projekt Dr. med. Carl Dellevie
Nach Abschluss seiner akademischen
Ausbildung bemühte sich der
frischgebackene Doktor der Medizin um
eine Zulassung als praktischer Arzt in
Hersfeld . Zu diesem Zweck richtete er
am 19.12.1836 ein entsprechendes
Gesuch an das Obermedizinische
Kollegium der Kurfürstlichen Regierung
in Kassel. Eingebunden in das
Zulassungsverfahren war auch die
Provinzregierung in Fulda. Dieser
gegenüber zeigten sich Landrat Hartert
und der Kreisarzt Dr. Zins in ihrer
Stellungnahme besorgt, dass die drei
bereits in Hersfeld praktizierenden
Ärzte durch die Zulassung eines
weiteren Kollegen sich in ihrer Existenz
bedroht sehen müssten, da sie bereits
jetzt kaum ihr Auskommen hätten und
man in Hersfeld aufgrund der niedrigen
Zahl von Patienten keinen weiteren Arzt
benötige.
Offenbar hatten die drei in Hersfeld
niedergelassenen Ärzte ihren ganzen
Einfluss bei der Verwaltungsspitze des
Landkreises geltend gemacht, um diese
auf ihre Seite zu ziehen. Man erhoffte
sich bei der Provinzregierung wohl ein
positives Echo auf das antijüdisches
Klischeebild, demzufolge der
Antragsteller als Sohn eines Juden
einen Wettbewerbsvorteil beim
Patientenzuspruch habe, da sein Vater
es "höchstwahrscheinlich nicht
unterlassen wird, seinem Sohn auf alle
Art Kunden zu verschaffen".
So erlebte Carl Dellevie innerhalb
weniger Jahre zum zweiten Mal die
Diskrepanz zwischen
verfassungsrechtlich verbürgter
Gleichheit und der alltäglichen Realität.
Mit ihrer massiv vorurteilsbehafteten
Argumentation kamen die Hersfelder
aber bei den Landesbehörden nicht
durch.
Das Obermedizinische Kollegium in
Kassel ließ sich von den vorgetragenen
Einwänden gegen eine Arztzulassung
des Juden Carl Dellevie nicht
entscheidend beeindrucken und erteilte
dem Bewerber am 28. März 1837 die
Erlaubnis zur Niederlassung als Arzt in
Hersfeld.
Haus Linggplatz 4 in
Bad Hersfeld im Jahr
2004
Haus Linggplatz 4 in
Hersfeld ca. 1910, von
1837 bis 1847 war hier
die Praxis von Dr. med.
Carl Dellevie
Quelle: O. Abbes, Hersfelds jüdische Geschichte, S. 52ff.