Projekt Dr. med. Carl Dellevie
"Kurhessen (... ) wird sich in Kürze einer Verfassung
erfreuen (...) In allen ihren Theilen hat man den aufgeklärten
und freisinnigen Ideen der Gegenwart gehuldigt. (...)
In einem Punkte nur ist man diesen (…) philosophischen
Grundsätzen untreu geworden, ( ... ) sollen die Bekenner
einer Religion ausgeschlossen werden, die der Erde Urzeiten
angehörend, gewiß und unbestreitbar zum Wohle der
Menschheit am Sinai verkündet ward, die zuerst den Glauben
an einen Gott festhielt und in deren Schooß ja auch der
Christen Heiland zum Daseyn gelangte. Mit anderen Worten,
die 25000 Juden Kurhessens sollen (...) der Vortheile der
neuen Verfassung nicht theilhaftig werden. Vergebens also
predigte Christus Liebe und Duldung, vergebens war sein
letztes Wort: Herr vergib ihnen, wie ich es thue. Nach
achtzehn hundert langen Jahren verfolgen die Bekenner des
Christenthums nach wie vor mit Unduldsamkeit und Druck
Israels Nachkömmlinge. Denn wahrlich, dem feinfühlenden,
aufgeklärten Juden des 19ten Jahrhunderts schmerzt und
drückt auch die kleinste Entziehung eines allgemein
anerkannten Menschenrechtes (...) den Klagruf, der im
eigenen Hause ertönt, die wehklagende Stimme der, von dem
civilisierten Volke unterdrückten Juden, die in Eurer Mitte
wohnen, wollt Ihr nicht beachten, und vergebens erschallen
lassen! (...) möchte unser Klagruf ins Innerste der Herzen
dringen, und nach achtzehn hundert langen Jahren auch uns
endlich die Palme gesetzlicher Freiheit, gleich unsern
christlichen Mitbrüdern, winken! Dann, o dann sind unsere
heißesten Wünsche erfüllt, und Glut und Blut opfern wir dann
freudig dem Lande hin, das uns als Kinder, dem Volke, das
uns als Brüder aufgenommen."
Dieser "Klagruf der Israeliten" erschien 1830 in Hanau.