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Projekt: Theodor Döllefeld
Juden mit dem wenigen erlaubten Gepäck unmittelbar vor der Deportation ins Ghetto Riga (Bild oben)

  
Am 10. Juni 1939 flüchtete Theodor Döllefeld mit Frau und Kindern nach Eschwege. Dort fanden sie Unterschlupf
bei der Familie von Bernhard Ehrlich,
des  Bruders von Theodor Döllefelds
Frau Rosa. Ob die Döllefelds in Eschwege bessere Lebensbedingungen vorfanden, erscheint sehr fraglich, wenn man
erfährt, dass sie in kürzester Frist ihr dortiges Quartier wechseln mussten.
Zum Zeitpunkt ihres Abtransports in das Zwischenlager Kassel am 8.12.1941 wohnten sie in Eschwege zusammen mit den Verwandten im Haus Friedrich-Wilhelm-Straße 24, nachdem einige Monate davor ihre Adresse Humboldtstraße 4 gelautet hatte.
Theodors ältere Tochter Käthe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Deutschland, ihr gelang die Flucht in die USA. Am 14.07.1938 hatte sie eine Ausreisegenehmigung erhalten und Rotenburg mit dem Reiseziel Chicago verlassen. Dort warteten Verwandte auf sie.
Theodor und Rosa Döllefeld mit ihrer Tochter Dina gehörten zu der ersten Gruppe von Juden, die aus dem Regierungsbezirk Kassel in einem Massentransport in den Osten
verschleppt wurden. Das am 9.12.1941
von Kassel aus angesteuerte Deportationsziel für diesen ersten  von
drei Massendeportationen von ca. 1200 jüdischen Menschen aus der Stadt Kassel und den Landkreisen Kassel, Marburg, Hünfeld und Eschwege war das sog. Reichsjudenghetto Riga.
Dort sah Theodor das letzte Mal seine
Frau und seine jüngere Tochter, da er
von ihnen getrennt wurde.

Lilly Strauß aus Hünfeld war eine der wenigen, die diesen Transport
mitmachten und den Holocaust
überlebten. Aus einem Brief, den sie 1945 von Hünfeld aus nach Schweden schrieb, erfahren wir Details über die Zwangsdeportation nach Riga und die dortigen Lebensbedingungen:
„Wir durften nur das Notwendigste mitnehmen, weil wir im Ghetto alles vorfinden würden. Als Gepäck durften wir mitnehmen pro Person 50 kg und noch Handgepäck. Beim großen Gepäck waren wir gleich skeptisch, aber unser Handgepäck glaubten wir sicher,
nachdem wir es doch bei uns hatten.
Wir sahen weder das eine noch das
andere wieder. Nur was wir an der Hand mitnahmen, hatten wir tatsächlich von unseren Sachen. (...) Ungefähr eine halbe Stunde bevor wir das Ghetto erreichten erging der Befehl, dass alle Männer von
17 bis 45 Jahren zur Seite treten möchten. Unser Transportleiter, Dan Blättner aus Kassel, sagte im Auftrag des Kommandanten, dass sie in ein Lager voraus gehen sollten, um es fertig zu bauen. In ca. acht Tagen kämen wir anderen nach. Da wurden schon viele Familien auseinander gerissen. Die
Männer kamen dann in das inzwischen bekannt gewordene Vernichtungslager Salaspils. (...) Nur der damaligen Kriegslage können wir es verdanken,
dass wir noch am Leben sind. Riga wurde die Zentrale der Frontlieferungen für den Osten, und so fanden viele von uns dort Beschäftigung. Allerdings, die nicht Arbeitsfähigen brachte man ums Leben. Man suchte Menschen beim Appell aus
und transportierte sie unter dem
Vorwand, anderweitig zu arbeiten, ab.
(...) Bedroht war man im Ghetto ja ständig, sogar des Nachts brachen die lettischen SS-Leute, die uns größtenteils bewachten, in den Häusern ein, vergewaltigten Mädchen und Frauen, auch Jungens, und beraubten sie dann noch der Kleider u.s.w. Unser Kommandant war ein deutscher Obersturmführer, auch sein Adjutant war aus Deutschland. Diese konnten Menschen auch ohne Grund rücksichtslos erschießen, denn es waren richtige Bluthunde. (...) Dann kam von Berlin der Befehl, das Ghetto Riga zu liquidieren, und so begann man schon im Sommer 1943 mit der Auflösung der kleineren Kommandos. (...) Im September (1944) war es dann soweit, dass Riga geräumt werden musste.“
Aufgrund seiner landwirtschaftlichen Kenntnisse, die er sich durch die Tätigkeit im elterlichen Betrieb angeeignet hatte, war Theodor Döllefeld auf dem landwirtschaftlichen Betrieb in der Nähe von Riga, auf dem er als Zwangsarbeiter eingesetzt wurde, eine wertvolle Arbeitskraft, sodass er die Lagerzeit heil überstand. 1944, als die Ostfront zusammengebrochen war, konnte er aus dem Lager flüchten.
Sein Glück wehrte allerdings nicht lange, weil er in Zivilkleidung zwischen den Fronten herumirrte und von der sowjetischen Armee als deutscher Spion verdächtigt und verhaftet wurde. Man brachte ihn in sibirische Arbeitslager, wo
er bis  1958 ausharren musste.  Auf die
drei Jahre in Lagerhaft unter NS-Kommando folgten jetzt 14 Jahre in sowjetischen Arbeitslagern. Nach seiner eigenen Darstellung waren aber nach
zwei Jahren die schlimmsten
Entbehrungen vorbei. Wegen seiner
guten Arbeitsleistung sei er wie die einheimischen Arbeiter entlohnt worden.
Er habe nach zwei Jahren persönlicher Unterdrückung viele Freiheiten genossen, z. B. habe er in einer eigenen Wohnung leben und sich mit einer russischen Frau anfreunden können. Jedoch erst 1956 wurden ihm Kontakte über die Landesgrenzen hinaus erlaubt. Erst jetzt kamen die beiden in Amerika lebenden Töchter mit dem Vater in brieflichen Kontakt. Es dauerte aber noch zwei
Jahre, bis Theodor Döllefeld schließlich
die Sowjetunion verlassen konnte. Die
vielen Lagerjahre überstand er - nach seiner eigenen Einschätzung - lediglich durch seinen starken Willen zu überleben und aufgrund der Hoffnung, wieder in die Heimat zu gelangen und seine Familie zu sehen.
  
Eingang zum Ghetto Riga (Bild unten)