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Projekt: Louis Goldschmidt
Vielen Bebraern war es schleierhaft, warum sie nicht mehr mit den Juden handeln sollten. Zu denen hatte sie seit Jahrzehnten ein meist gutes- manchmal auch weniger gutes Verhältnis. Auf einmal sollten diese jüdischen Mitbürger und Geschäftspartner allesamt Angehörige einer minderwertigen Rasse sein. Bauer Bartholomäus verkaufte 1935 weiterhin sein Vieh an den Pferdehändler Goldschmidt - wenngleich so, dass es nicht jeder mitbekam, nämlich am Sonntag, als die andern in der Kirche waren. Doch da hatte er sich wohl getäuscht. Der Handel wurde beobachtet und bei der SA-Dienststelle angezeigt. Noch am Sonntagabend wurde er aus dem Bett geholt, von einer Meute Nazis kahlgeschoren und gemeinsam mit dem Ehepaar Goldschmidt zur Abschreckung mit Musik und unter lautem Gegröle durch die Straßen der Eisenbahnerstadt geführt. Da es für solche Aktionen keine gesetzliche Grundlage gab, wurde sie von der Presse, insbesondere dem Hetzblatt "Der Stürmer" - als spontane Aufwallungen des "gesunden Volksempfinden" dargestellt. Zweck dieser Aktion war es, Hass gegen Juden und "Judengenossen" zu erzeugen. Im Tagesbericht der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Kassel vom 12.08.1935 wird das Geschehen in Bebra registriert als "öffentliche Anprangerung eines jüdischen Viehhändlers und seiner Familie sowie des Bauern Adam Bartholomäus, wohnhaft Bebra wegen Handels zur Gottesdienstzeit".
Als es nach dem Krieg zu einem Nachbarschaftsstreit kam, legte Bauer Bartholomäus das hier gezeigte Foto dem Gericht vor - ohne jedoch den Richter damit sonderlich zu beeindrucken. Jener Nachbar, mit dem Bauer B. im Streit lag, hatte sich in der SA besonders hervorgetan. Eine Entschuldigung oder gar Entschädigung erhielt Bauer Bartholomäus nie.
Strafaktion gegen Bauer Bartholomäus und
den jüdischen Pferdehändler Goldschmidt samt Ehefrau am Abend des 8. August 1935
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