Schon als Vierjährige begeisterte sich Hannelore fürs
Tanzen, sodass die Eltern sie in eine Ballettschule
schickten.
"Mit vier Jahren fing das Vortanzen bei mir an.
Wir hatten ein Grammophon und verschiedene
große und kleine schwarze Schallplatten. Die
großen waren für klassische Musik, Bach und
Beethoven und dergleichen, die meine Mutter oft
auf dem Klavier spielte. Aber die kleinen Platten
hatten die Musik von dem Rhythmus der Zeit. Das
waren Schlager aus dem Kabarett und Film.
Manche, so wie „Schufflin’ off to Buffalo“, kamen
aus Amerika. Mein spontanes Vortanzen war
meine Lieblingsbeschäftigung mit meinem Vater
als begeistertem Publikum. Bald nahm ich
Unterricht in einem Schloss im alten Teil der Stadt,
wo Herr Dietz, mein Ballettlehrer, einen
Übungsraum hatte. Es war ein hoher, fast leerer
Raum mit Holmen, Spiegeln und großen Fenstern,
durch die das kalte Nordlicht fluten konnte. Das
Schloss hatte weder Heizung noch Elektrizität, und
wenn die anderen Ballettschülerinnen und ich am
späten Nachmittag Unterricht hatten, füllte sich
der kühle Raum mit den schattigen Tönen wie auf
einem Rembrandtgemälde." (On the Way to Feed
the Swans, New York 1982)
Schon bald nach der NS-Machtergreifung musste
Hannelore erfahren, was das neue Regime für sie als
Spross einer jüdischen Familie bedeutete. Mit großen
Erwartungen hatte sie der Gelegenheit
entgegengefiebert, dem Ballettmeister der Dresdener
Staatsoper vorzutanzen. Vielleicht würde sie in seinem
Ballett mitwirken dürfen. Aus dem erhofften Vortanzen
wurde aber nichts.
"Mit 6 Jahren hatte ich eine Tanzprobe beim
Corps de Ballett am Dresdner Opernhaus.
Wahrscheinlich war ich die jüngste Kandidatin, die
jemals dort vortanzte. Der Dirigent las meine
Anmeldung und gab sie dann meiner Mutter mit
einer entschuldigenden Geste zurück. Das Ballett,
subventioniert durch den Staat, akzeptierte keine
Juden. Ein Jahr früher war das überhaupt keine
Frage."
Jahrzehnte später räsonniert Hannelore über ihre so
früh und so plötzlich gescheiterte Karriere als Tänzerin:
"In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde in
Dresden der moderne Tanz aus der Taufe gehoben.
Mary Wigman, Gret Palucca und Hanya Holm
übten auf die moderne Tanzwelt einen großen
Einfluß aus, darunter auch auf Martha Graham in
den USA. Ich nehme an, wenn die neuen
staatlichen Gesetze gegen Juden nicht plötzlich
erlassen worden wären, wäre ich eine Tänzerin
geworden. Wenn man so zeitig anfängt, wie kann
man da fehlschlagen?"
(On the Way to Feed the Swans, 1982)