Die Conte di Savoia, eines der modernsten Passagierschiffe der
Seeschifffahrt. Das 1932 in Betrieb genommene Schwesterschiff
der Rex fuhr bis 1940. 1943 wurde das Schiff von den
Deutschen im Hafen von Genua versenkt, um es dem Zugriff der
Alliierten zu entziehen.
Arthur Hahn mit dem im Februar
1938 beborenen Sohn Tommy
an Bord der Conte di Savoia
Von der Schweiz reisten Arthur und Helene
Hahn mit den beiden Kindern nach Genua, um
dort an Bord des italienischen
Passagierdampfers Conte di Savoia die lange
geplante und sorgfältig vorbereitete Reise über
den Atlantik in die Neue Welt anzutreten.
Unter normalen Zeitläuften hätten die Tage auf
dem Luxusdampfer sicher für alle Beteiligten
ein großartiges Erlebnis werden können. So
aber konnte allenfalls die damals 12-jährige
Tochter der Familie die Schiffsreise als
vergnügliche Unternehmung empfinden.
Tochter Hannelores Erinnerungen an die
Überfahrt:
"Um in die Neue Welt aufzubrechen, packte
mein Vater weiße Flanellhosen und
Bermudashorts aus Leinen ein. Meine
Mutter, eine leidenschaftliche
Tennisspielerin, trug weiße Sportkleidung.
Mein Bruder war natürlich in weiße
Windeln gewickelt. Und ich trug weiße
Shorts, ein weißes Poloshirt und einen
königsblauen Schulblazer mit goldenen
Knöpfen. So ganz in weiß, schien es, als ob
wir auf eine Vergnügungsfahrt gingen.
Während der wochenlangen Überfahrt
spielten wir Shuffleboard, schwammen im
Schwimmbad, tanzten zur Teestunde im
Salon. Abends sahen wir amerikanische
Spielfilme. Mr. Moto, ein Konfuzius
zitierender, englischsprechender
chinesischer Gentleman-Detektiv,
faszinierte mich am meisten. So weit ich
wußte, sahen Kinder in Deutschland nur für
sie geeignete Filme, so wie „Felix, der
Kater“ und Shirley Temple, aber niemals
Filme, die etwas mit Kriminalitat zu tun
hatten. (...) Mein Vater hatte es sich in den
Kopf gesetzt, dass sofortige
Amerikanisierung mit Fluchen auf Englisch
verbunden war. Er grüßte
englischsprechende Passagiere mit einem
emphathischen „God damn!“ oder „Go to
hell!“. Das gequälte Lächeln der Passagiere
zeigte mir, dass mein Vater ins
Fettnäpfchen getreten war und dass er sich
selbst zum Narren machte, aber er schien
seinen Spaß daran zu haben. Die ihm
fremde Sprache erlaubte es ihm, Dinge zu
sagen, die er auf Deutsch niemals sagen
würde, zumindest nicht zu der Art von
Leuten, die an Bord waren. Es war ihm
aber auch klar, dass man ihm dieses
Fluchen verzeihen würde, weil er es
vermutlich nicht besser wusste. Und
natürlich wusste er es besser. Während all
dieses vor sich ging, während mein Vater
seine Englischkenntnisse wissend
missbrauchte und meine Mutter in der
Kombüse angestarrt wurde - was tat ich?
Ich stand an der Reling, schaute weit hinaus
auf das Meer und träumte von einem
Talentsucher, der mich auf den Straßen von
New York entdecken und nach Hollywood
mitnehmen würde.
Am Tag vor unserer Ankunft im Hafen von
New York schlug der historische Hurrikan
von 1938 ein. Schon am frühen Morgen
hatten wir dieses schwere Ruhe-vor-dem-
Sturm-Gefühl, und ein warnendes
Schwanken und Rollen war offensichtlich
am Werken unter dem Meeresspiegel.
Gleich nach dem Frühstück ringelte ich
mich in einen Deckstuhl und schlief wie
betäubt ein. Als ich aufwachte, stand mein
Vater über mir, sein Haar war ganz vom
Winde verweht. Er schrie meinen Namen
und schüttelte mich aus dem Tiefschlaf. Das
Schiff neigte sich, Türme von
schweren, dunkelgrauen Wellen krachten
auf das Deck, wo sich nur noch mein Vater
und ich befanden. Hätte er mich nicht
gefunden, hätte eine von diesen Wellen
mich sicherlich erwischt und ich wäre ins
tobende Meer gespült worden. Am nächsten
Morgen schien die Sonne auf ein stilles,
friedliches Meer. Onkel Ferdinand und
Tante Etta, entfernte Verwandte meiner
Mutter, erwarteten uns am Pier von New
York.