Am 9. September 1938 gingen
Rudi Hahn und seine Frau Lissy
außer Landes. Die erste
Auslandsstation war Prag, von dort
führte ihr Weg über Belgien und
Holland nach England. Im Juli 1939
fand die Odyssee in London ihre
letzte und endgültige Station.
Wenn man die Bilder vom
Dresdener Flughafen aus dem
Familienalbum betrachtet,
vermutet man wohl kaum die
wahren Hintergründe der Flugreise.
Mit der vom Wehrmeldeamt
Dresden ausgestellten
Urlaubsbescheinigung hatte Rudi
Hahn keine Schwierigkeiten an
Bord zu gehen. Am 15. August
1938 hatte man ihm eine
"Bescheinigung für Auslandsurlaub
bis zu 60 Tagen" ausgestellt.
Im Spätherbst flüchtete Lissy
Hahn ebenfalls nach Prag, wo sie
bei ihren im September 1938 nach
dort geflüchteten Schwiegereltern
Jakob und Julia Hahn sowie ihrer
Schwägerin Bertie unterkam.
Ehemann Rudi Hahn war schon
bald von Prag nach Holland
gegangen, wo er bei früheren
Geschäftspartnern Unterschlupf
fand. Auf deren Hilfe war er
angewiesen, denn mit der
Besetzung Prags am 15. März
1939 waren die dort deponierten
Ersparnisse nicht mehr verfügbar.
Nur für kurze Zeit bedeutete
Holland für Rudy und Lissy Hahn
das gemeinsame Exil, ehe sie nach
Antwerpen in Belgien gingen, wo
sie sich zunächst in möblierten
Zimmern einmieteten, dann bei
einer jüdischen Dame unterkamen,
deren Haushalt sie als
Gegenleistung zu führen hatten. Da
sie keine behördliche
Aufenthaltsgenehmigung hatten,
war ihnen der Aufenthalt in
Antwerpen angesichts ständiger
Razzien zu riskant, sodass sie in
dem kleinen Städtchen Mayseik bei
einer hilfsbereiten flämischen Dame
untertauchten. Eigentlich wollten
die beiden in die USA ausreisen. Als
sie jedoch einsehen mussten, dass
ihre Position auf der
Immigrationsliste so weit unten
war, dass sie sich auf eine lange
Wartezeit einzustellen hatten,
bewarben sie sich um eine
befristete Einreisegenehmigung
nach England. Dafür benötigten sie
1,000 US-Dollar, die ihnen der
inzwischen in die USA gelangte
Arthur Hahn lieh. Zur
Verabschiedung ihrer Mutter
Hedwig Rosenthal nach Bolivien
fuhren sie im Juli 1939 nach
Amsterdam und nahmen von dort
am 15. Juli das Fährschiff nach
Harwich.
(oben) Das Blatt aus dem Familienalbum zeigt in der oberen
Reihe (Mitte) Rudi Hahn neben dem die Koffer tragenden
Chauffeur am Dresdener Flughafen, (links) Lissy beim
Verlassen des Taxis, (rechts) Lissy und ihre Mutter Hedwig
Rosenthal, beide in schwarzer Trauerkleidung für ihren kurz
zuvor verstorbenen Vater bzw. Ehemann Willy Rosenthal.
(links) Urlaubsbescheinigung für Rudi Hahn, ausgestellt
vom Wehrmeldeamt Dresden.