Ebenso wie für die übrigen jüdischen
Unternehmen brachte die
Machtübernahme durch die NSDAP am 30.
März 1933 für das Bankhaus Hahn eine
radikale Beschneidung seiner
geschäftlichen Tätigkeit, veranlasste den
Eigentümer aber erst im März 1938 zum
endgültigen Abschied aus seiner
hessischen Heimat.
Was ihn in dem neuen Regime erwartete,
bekam Jakob Hahn schon wenige Wochen
nach Hitlers Amtsantritt zu spüren.
Wegen "mangelndem Fluchtverdacht"
wurden die drei zunächst verhafteten
Erpresser, die im März 1933 in seine Bank
eingedrungen waren, wieder auf freien Fuß
gesetzt. Laut Bericht im Rotenburger
Tageblatt vom 28. März 1933 wurde
davon ausgegangen, "daß die Straftat
noch unter die Amnestie fällt und die
Betreffenden infolgedessen noch mit dem
Schrecken davonkommen dürften."
Während es für die Täter mit dem
Schrecken (welchem?) abgetan sein sollte,
war die kriminelle Tat und der amtliche
Umgang damit für Jakob Hahn und
seinesgleichen der erste Akt in einem
Szenario des Schreckens ohne Ende.
Noch vor der Reichstagswahl am 5. März
1933 bereits waren die Schaufenster des
Kaufhauses S. Baer und anderer
Geschäfte mit jüdischen Besitzern
eingeschlagen worden. Zwei jüdische
Gottesdienstbesucher waren auf dem Weg
zur Synagoge überfallen und misshandelt
worden. In den Tagen nach der Wahl
verstärkten sich die Übergriffe gegen
jüdische Personen und deren Eigentum.
Mehrere jüdische Geschäfte wurden von
Parteifanatikern zum (vorübergehenden)
Schließen genötigt, was einige jüdische
Geschäftsinhaber zu "freiwilligen"
Schließungen veranlasste.
Die erste organisierte Aktion gegen die
jüdischen Bewohner der Stadt Hersfeld lief
dann unter der Regie des SS-Führers
Martin Gunst am 28. März 1933, getarnt
als "Abwehraktion". "Die hiesigen
israelitischen Bürger wurden von SA- und
SS-Kameraden aus den Häusern geholt
und zum Hessischen Hof geführt",
berichtete die Hersfelder Zeitung, für die
es sich bei der Aktion nicht um Übeltäter,
sondern um "Kameraden" handelte.
Nachdem sich die Juden im Hessischen
Hof, dem Stammlokal der Hersfelder
Nationalsozialisten, über ihre Rolle im
neuen Staat hatten belehren lassen
müssen, wurden sie auf dem Marktplatz
zu der "freiwilligen" Erklärung gezwungen,
"daß sich die nationale Erhebung in
geordneten Bahnen und durchaus
diszipliniert vollzogen hat".
All dies geschah in Hersfeld schon bevor
reichsweite Aktionen gegen die jüdische
Minderheit durchgeführt wurden, wie etwa
der von Propagandaminister Goebbels
angeordnete Boykott jüdischer Geschäfte
am 1. April 1933.
Für eine jüdische Bank in einer deutschen
Kleinstadt wie Hersfeld gab es fortan keine
wirtschaftliche Basis mehr. Für eine
begrenzte Zeit konnte Jakob Hahn von
der Substanz leben. Im März 1938 ließ er
sein Bankunternehmen im
Gewerberegister streichen und kehrte
seiner hessischen Heimat den Rücken.
Zusammen mit seiner Frau Julia meldete er
sich in Hersfeld am 4. März 1938 ab und
verlegte seinen Wohnsitz ins tschechische
Teplitz-Schönau. Der bis dahin bei den
Eltern gebliebene Sohn Isfried war im
Februar 1938 verhaftet und in Kassel in
Untersuchungshaft genommen worden.
Es ist gut vorstellbar, dass die Verhaftung
von Sohn Isfried der entscheidende
Anstoß für Jakob und Julia Hahn war,
Deutschland zu diesem Zeitpunkt zu
verlassen, zumal auch der in Dresden
lebende Sohn Rudi am 8. Februar 1938
wegen angeblicher Devisenvergehen
eingesperrt worden war.
Postkarte mit Motiven zum Hersfelder Lullusfest.
Aus der Volksgemeinschaft, wie sie sich traditionell in den
jeweiligen Volksfesten manifestiert, waren die Juden mit
Hitlers Machtantritt ausgeschlossen - so natürlich auch in
Hersfeld, der Heimatstadt der Familie von Jakob Hahn.