Es gibt in Rengshausen leider kaum noch Zeitzeugen, die die Zeit des
Nationalsozialismus bis zu den großen Pogromen von 1938 mit
kritischem Verstand wahrgenommen hatten und sich dazu äußern
könnten. Wir wissen also nicht, welchen Drangsalierungen die einzige
noch vorhandene jüdische Familie in Rengshausen ausgesetzt war.
Vielleicht waren es nur "kleine Dinge", die ihr Leben belastete: Kein
Schwatz mehr auf der Straße, Fenster, die eingeworfen wurden,
nachlassende Kundschaft, Hänseleien der kleinen Tochter auf der
Straße und in der Schule. Ihr Klassenlehrer war ein überzeugter
Nationalsozialist, aber, wie geschildert wird, ein beliebter und
gerechter Lehrer. Er hat es aber nicht verhindern können, dass die
kleine Gerda als Schulanfängerin in der Pause abseits stand oder
vielleicht sogar abseits stehen musste. Einsam sei sie unter den
Kindern in der Schule gewesen, erzählten später ehemalige
Schulkameradinnen. Vermutlich waren es keine spektakulären
Aktionen. Aber die Partei der Nazis war auch in Rengshausen präsent,
und kaum jemand konnte sich ihr entziehen. Wer wagte bei dem
zunehmenden Druck gegen die Juden noch, bei ihnen einzukaufen? Ob
ich denunziert werde, wenn ich trotz aller Warnungen und Verbote in
der Dämmerung zu HÖFLICHs hinüberhusche, um ihnen eine
Kleinigkeit abzukaufen? Angst hatte die Menschen befallen, sich mit
dem Schicksal der Juden zu solidarisieren. Unsere Passivität hat uns
mitschuldig gemacht. Nur vor diesem Hintergrund ist das ungeheure
Ausmaß der national-sozialistischen Verbrechen, die 1938 mit dem
Pogrom ihren ersten Höhepunkt erreichten, zu verstehen.
Ab September 1941 mussten die
jüdischen Menschen zu ihrer
Kennzeichnung einen Gelben Stern
tragen. Geschäftlich waren sie schon
bald nach der NS-Machtübernahme
ausgegrenzt.
Klick:
Maßnahmen zur Diskriminierung,
Ausgrenzung und Verfolgung der deutschen
Juden