"1936 war es nicht länger möglich, in dem
Ort, in dem unsere Urgroßeltern, Großeltern
und Eltern geboren wurden und gelebt
hatten, unseren Lebensunterhalt zu
erwerben. Unsere Eltern entschlossen sich
dazu, ihr Geschäft und den Laden
aufzugeben und nach Frankfurt zu ziehen,
in eine größere Stadt. Hier lebten der Vater
meiner Mutter, ein Bruder und eine
Schwester. In jenen Tagen war man als
Jude in einer großen Stadt stärker anonym,
mit Ausnahme gegenüber der Polizei, der
Gestapo und den unmittelbaren Nachbarn.
Juden hatten ihren Beruf verloren, sie
durften nicht in Restaurants essen, ihre
Lebensmittel waren rationiert. Hitler hatte
den Juden ihre deutsche
Staatsbürgerschaft entzogen. Später
musste jede jüdische Frau den zusätzlichen
Namen Sarah tragen und jeder jüdische
Mann musste seinem Namen die
Bezeichnung Israel hinzufügen.
Mein Vater konnte in dem Exportgeschäft
meines Onkel, das weiter existieren konnte,
weil es britische Teilhaber hatte und gut
für Deutschland war, weil es Devisen in den
deutschen Staatssäckel brachte."
Großvater Baruch Rosenstein mit Ilses Bruder Rudy (links) und
Ernst Rosenstein (rechts), dem Sohn von Onkel Max aus
Herleshausen, der schon in den 1920er Jahren nach Frankfurt ging.
(Foto ca. 1926).
Ilses Großvater Baruch Rosenstein, geb. am 8. Dez. 1863 in
Niedenstein, hatte Bettie Müller aus Herleshausen geheiratet, von
wo die beiden 1900 nach Rotenburg kamen. Baruch Rosenstein
übernahm hier die bis dahin (seit 1865) von Jakob Cornelius
besetzte Stelle an der jüdischen Volksschule. Diese wurde 1913 als
allgemeinbildende Schule aufgelöst, aber für den Religionsunterricht
fortgeführt. Baruch Rosenstein war bis zu seinem Wegzug nach
Frankfurt im April 1932 als Religionslehrer tätig.
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