"Mein Bruder und ich wurden in eine große und gut bekannte jüdische Schule mit Namen Philanthropin geschickt und das Leben war für mich ziemlich „normal“.
Unsere Wochenenden waren angefüllt mit Familienunternehmungen, die aus langen Wanderungen, Fahrradtouren und Picknicks im Taunus bestanden. Dies war immer etwas, auf das man sich freuen konnte. Als Kind nimmt man alles als selbstverständlich und das galt auch für mich, ich nahm nicht die Bedrohungen und Belastungen wahr, denen sich meine Eltern ausgesetzt sahen. Wir entschlossen uns dazu, unseren Großvater bei uns aufzunehmen. Wir hatten eine sehr schöne Wohnung in einem 2-Familien-Haus im Bäckerweg.
Gerüchte machten die Runde. Wir hörten, dass die Nazis einen nichtjüdischen Mann gehängt hatten, weil er ihren Gesetzen nicht Folge geleistet hatte. Er sollte als Sündenbock zur Abschreckung für andere dienen. Die Nazis flößten Furcht ein zur Sicherung ihrer Herrschaft. Alle hatten Angst, nicht nur die Juden. Deshalb wurde meinen Eltern bewusst, besonders meiner Mutter, dass es bald zu spät sein würde, aus Deutschland herauszukommen.
Meine Mutter fasste den Entschluss, sich beim Amerikanischen Konsulat um ein Visa für die Einreise in die USA zu bewerben.
Ein Cousin von ihr namens Julius Fisher, der in New York City in der Automobilbranche tätig war, hatte sich bereit erklärt ein Affidavit auszustellen, dass den Vereinigten Staaten die Gewähr bot, dass wir dem Land keine finanzielle Belastung bringen würden.
Die volle Quote für die Einwanderung in die USA für in Deutschland Geboren betrug 25,000 pro Jahr. Der Wunsch, Deutschland zu verlassen, war sehr groß."
  
Das Philanthropin existierte als jüdische Schule in Frankfurt seit 1804. Die Schule bot eine Mischung aus religiösem und säkularem Unterricht und wurde auch von christlichen Schülern besucht. 1908 zog die Schule in das neu errichtete Gebäude
in der Hebelstrasse. Der aus Rotenburg an der Fulda stammende Rabbiner Dr. Leopold Neuhaus war seit 1933 Lehrer am Philanthropin und leitete hier auch die letzten Gottesdienste der Frankfurter Juden. Die Schule wurde 1942 geschlossen. Seit Oktober 2006 wird das Gebäude wieder für eine jüdische Schule genutzt.