"Bis zum 9. November 1938 lebte ich in
Deutschland als ein kleines, übermäßig behütetes
und beschütztes 11-jähriges Mädchen. Wenn
über Antisemitismus bei uns zuhause diskutiert
wurde, geschah dies nur im Flüsterton, sodass
die Kinder davon nichts mitbekamen. Sofern ich
mich von Diskriminierung und Schikanierung bis
dahin nicht besonders betroffen gesehen hatte,
so sollte sich das schlagartig ändern, als in der
Dämmerung ein lieber Freund meines Vaters aus
Rotenburg in unserem Haus auftauchte und
meinen Vater dringend bat, mit ihm ins Versteck
zu gehen.
'Versteck? Wo kann man sich vor der Gestapo
verstecken?' Ich höre meinen Vater sagen:
'Außerdem, meine Frau ist im Krankenhaus und
dabei, sich von einer Operation zu erholen. Ich
kann meine Familie und meinen alten
Schwiegervater nicht zurücklassen.'
Der Freund meines Vaters verschwand so
schnell, wie er gekommen war, wir hörten erst
wieder in den 1950ern von ihm. Er verbrachte
viele Jahre hinter dem Eisernen Vorhang."
Theodor Döllefeld wurde im Dez. 1941 von Eschwege
aus über Kassel nach Riga deportiert, und kehrte erst
1957 aus russischer Gefangenschaft zurück.
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