"In jener Nacht des 9. Novembers wurden die wunderschönen Synagogen und jüdischen Geschäfte in Frankfurt und in ganz Deutschland in Brand gesetzt. Überall wurden Fenster zertrümmert und Häuser geplündert. Die Nacht wurde als Kristallnacht bekannt, als Nacht des zertrümmerten Glases.
Es herrschte äußerstes Chaos. Jüdische Ärzte in Krankenhäuser begingen Selbstmord. Männer sprangen von Häuserdächern. Alles mögliche geschah, um der Vernichtung durch die Nazis zu entkommen. Ich erinnere mich lebhaft an den Tag nach der Kristallnacht, den 10. November, als sehr laut an unsere Haustür geklopft wurde und ich öffnete. Da standen zwei riesengroße Nazis in Uniform und Schaftstiefeln vor mir. Ihre Stimmen klangen schroff, als sie sich den Weg in unsere Wohnung bahnten. Sie zeigten auf meinen Vater und sagten: „Du! Komm mit uns.“
Die beiden tuschelten miteinander, aber ich konnte sie sagen hören, dass mein Großvater zu alt und mein Bruder zu jung und schmächtig sei. 
Bis auf den heutigen Tag fühle ich mich unwohl, wenn ich Leute in Uniform sehe. Es versetzt mir immer Stiche im Herzen und ich sehe jene Nazis mit ihren großen Hakenkreuzen vor mir.
In der Folgezeit erfuhren wir, dass alle erwachsenen jüdischen Männer von der Gestapo verhaftet worden waren. All diese Männer hatte man in die Westendsynagoge gebracht, die man wegen ihrer sehr dicken Steinmauern nicht dem Erdboden gleichmachen konnte und die, wie ich gehört habe, noch immer an der alten Stelle steht. Dort verbrachten sie die Nacht in extremer Kälte mit nur einigen wenigen über ihnen ausgebreiteten Gebetsschals."

  
Video Kristallnacht November 1938
Straßenszene in Berlin 9./10. November 1938 (oben),
Westend-Synagoge in Frankfurt (unten)

  
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