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Projekt: Hans Löwenberg
Freitagabend
Die Zeit des Sabbatbeginns war genau für jede Woche im jüdischen Kalender angegeben. Es ist eine Stunde vor Sonnenuntergang. Dann wurde mit einer kurzen Feier die Schwelle zum Sabbat-Eingang überschritten. Dies ist der Moment, in dem die Hausfrau den Segen über die Kerzen spricht. Die beiden Kerzen werden angezündet, die Familie ist versammelt. Die Hausfrau hält die Hände zwischen Augen und Kerzenlicht, damit sie das Licht erst nach dem Segensspruch, wenn der Sabbat begonnen hat, sieht. Zur selben Zeit gehen die Männer des Hauses mit bedächtigen Schritten zur Abendandacht in die Synagoge. Der Gottesdienst war fast derselbe wie am Wochentag-Abend, nur war das Gotteshaus festlicher illuminiert. Außerdem wurden zu den Gebeten einige Hymnen und Loblieder hinzugefügt. Am Ende der Andacht sagte der Vorbeter den Kiddusch (den Segensspruch über den Wein) mit erhobenem Silberbecher und geübter Stimme. Die kleinen Knaben stellten sich neben den Vorbeter, um einen Schluck des Weines zu kosten.
Von Zeit zu Zeit kam es vor, daß die Gemeinde am Sabbat von einem jüdischen armen Mann besucht wurde, der auf seiner Wanderschaft den Sabbat in Schenklengsfeld verbrachte. In der Synagoge nahm er auf der letzten Bank, die immer frei blieb, Platz. Es war sicher, daß er von dem einen oder anderen der Männer eingeladen wurde, den Sabbat als Gast in seinem Hause zu verbringen. Einem armen Mann Obdach zu geben, besonders am Sabbat, war für einen Juden die größte Mizwah (gute Tat), die ganz sicher den ständigen Segen Gottes für sein Haus bringen wird.
Zu Hause angekommen, wurde sofort ein zusätzliches Gedeck für den Gast aufgelegt. Inzwischen hatten auch die Frauen ihre Hausandacht been­det. Man sagte sich ein gegenseitiges „Gut Schabbes". Danach segneten die Eltern ihre Kinder, die mit gebeugten Köpfen wartend vor ihnen standen.
Auf dem väterlichen Platz des Tisches lagen die beiden Barches mit Samtdecken darüber, und daneben
stand der Wein im Silberbecher. Zuerst wurde der Kiddusch gesprochen, dann bekamen die Anwesenden einen Schluck Wein. Danach mußte man die Hände waschen, wozu ein Segensspruch gesagt wurde. Gleich darauf schnitt der Hausherr das Barches-Brot an, tauchte das erste Stück in Salz, wobei er einen Segensspruch sagte, und aß es. Dann teilte er auf die gleiche Weise an alle aus.
Nun wurden zu Ehren des Sabbat noch einige Lieder gesungen sowie auch ein besonderes Lob der Hausfrau ausgesprochen, in dem hervorgehoben wurde, daß sie „die einzige und beste aller treuen Frauen sei", bis dann endlich die Suppe auf den Tisch kam und darauffolgend die ganze Mahlzeit. Der Gast des Hauses erzählte inzwischen zur Unterhaltung der Anwesenden von interessanten Erlebnissen auf seinen Wanderungen. Hin und wieder bemerkte er noch so ganz nebenbei, daß er eine sehr kranke Frau zu Hause habe sowie 7 Töchter, die ohne Mitgift keine Möglichkeit zur Heirat hätten, und auch, daß er ärmer als alle Ärmsten sei, da er keine Enkelkinder zu erwarten habe und so die Fortpflanzung seiner ehrenhaften Familie infrage stehe. Außerdem versicherte er der Hausfrau, daß ihre Kost das Beste war, was ihm auf allen seinen Reisen je vorgesetzt wurde. Mit einer solchen Frau sei der Hausherr doch tatsächlich ein wohlhabender Mann, der in seiner Wohltätigkeit ihm hoffentlich verzeihe, wenn er noch um eine zweite Portion der delikaten Apfeltorte bitte. Bevor er dann am Sonntagmorgen, sich herzlich bedankend, seine Reise fortsetzte, erinnerte er den Gastgeber nochmals an seine schwerkranke Frau und wahrscheinlich auch an die heiratsfähigen Töchter. So gab er den anderen jüdischen Familien im Dorf die Möglichkeit, zu seiner Geldsammlung „für einen guten Zweck" beizutragen.
Der Freitagabend ging nun zu Ende. Mit dem Gesang des Tischgebetes und anderen Lobliedern machten sich die Anstrengungen der vergangenen Woche wie auch der Wein und das gute Essen langsam bemerkbar, und man konnte beobachten, daß bei manchen die Augenlider zusehends schwerer wurden. Es dauerte nicht lange, und die Familie suchte den nötigen Schlaf in den Bettkammern.