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Projekt: Hans Löwenberg
Der weitere Verlauf und das Ende des Sabbats
Vor dem Mittagsmahl wiederholte sich der Freitagabend-Ritus der Segenssprüche über Wein und Barches.
Nach dem Essen zogen sich die Eltern in ihre Zimmer zurück, um sich von den Strapazen der Woche auszuruhen. Vorher aber gaben sie ihren Kindern strenge Anweisungen, sich für das mündliche Studium des Religions-Unterrichts am Sonntag vorzubereiten, obwohl „schwere Arbeit" verboten war. Die Jugendlichen dagegen trafen sich zu die­ser Zeit unter der Linde oder auch in manchen Gartenlauben, um wahrscheinlich dort ihre botanischen und vielleicht auch biologischen Studien zusammen oder auch paarweise fortzusetzen.
Gegen 3 Uhr nachmittags trafen sich die Männer der Gemeinde in zwei Privathäusern, die wöchentlich wechselten, um dort über religiöse Studien sowie über die verschiedenen Auslegungen im Talmud zu sprechen. Beide Gruppen - die eine war die „Chevrah Kadischa" (Vereinigung der Heiligen), und die andere Gruppe nannte sich „Anschay Israel" (Verein der Männer Israels) -wurden während der Stunde des Lernens kurz vom Lehrer besucht, der die Gruppen noch mit einigen Sätzen prophetischer Weisheiten bedachte. Danach gingen alle um 4 Uhr zur Synagoge, um an dem Mincha-Gottesdienst teilzunehmen. Während dieser kurzen Andacht wurden auch wieder, aber nur am Sabbat und an den Festtagen, aus der Thora einige Abschnitte vorgelesen und meistens dazu nur Jugendliche als Beisteher aufgerufen.
Am Nachmittag wurden zwischen den Familien Besuche gemacht und über die wöchentlichen Ereignisse gesprochen. Dazu gab es natürlich fast immer Kaffee und Kuchen, oft auch andere leckere Dinge. Bei schönem Wetter machte man gerne Spaziergänge, wobei man immer auf die Entfernung achtete.
Eine künstliche Grenze, symbolisch für die nicht existierende Stadtmauer, bildeten Drähte, die an
verschiedenen Ausgangsstraßen des Dorfes hoch über die Straßen gespannt waren. Man nannte diese
Drähte ein Eruv. Leider aber gab es verwirrende Auslegungen über die Strecke, die man gehen und etwas tragen durfte. Das führte dazu, daß manche Leute die Einschränkungen des Eruv-Gebotes nicht beachteten.
Kurz vor dem Dunkelwerden ging man wieder zur Synagoge, um an den Abendandachten (=Maariv) teilzunehmen. Sobald 3 Sterne am Himmel gesichtet wurden oder ungefähr zu dieser Zeit, ging der
Gottesdienst an, der - außer einigen Sabbatliedern und Psalmen - ähnlich wie die allwöchent­liche Andacht verlief. Zum Abschluß des Gottesdienstes und gleichzeitig auch des Sabbats wurde erst vom Vorbeter in der Synagoge und später vom Familienoberhaupt zu Hause der Havdalah-Segen gesagt. Dazu gehören der Becher mit Wein, ein bunte geflochtene Kerze und eine Riechdose mit Gewürzen. Über jedes dieser 3 Symbole wird ein Segensspruch gesagt, dann wird der Wein zum Trinken und die Dose zum Riechen zu den Kindern herumgereicht und zuletzt die Kerze mit dem letzten Tropfen Wein verlöscht. Der wöchentliche Ruhetag - der Sabbat - ist zu Ende. Man wünscht sich gegenseitig „Gut Woch!" (— Schavuah Tov).