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Projekt: Hans Löwenberg
Passah, das jüdische Pesach-Fest
Das Pesach-Fest fängt am 15. des jüdischen Monats Nisan an, etwa zwischen März und April. Es ist eines der größten Feste der Juden. Der Feiertag hat seinen Ursprung in der Geschichte Israels, als die Kinder Israels aus Ägypten befreit wurden und als Gott ihnen den Weg aus der Wüste gezeigt hat. Der Name Pesach
(= „Schonendes Vorübergehen") leitet sich ab aus 2. Mose 12,13. Die besonderen religiösen Vorschriften für dieses Fest haben ihren Ursprung in der Geschichte des „Auszuges aus Ägypten" (2. Mose 12,34) und beziehen sich hauptsächlich auf das „ungesäuerte" Brot. Der hastige Aufbruch der Kinder Israels um Mitternacht ließ nicht einmal Zeit, den ungesäuerten Teig zu Brot zu backen. Sie verließen Ägypten in großer Eile, und aus dem ungesäuerten Teig wurde später in der Wüste ein flaches Brot gebacken, das symbolisch ist für diesen Auszug und später als Matzah bekannt wurde. Deshalb darf am Pesach kein „Gesäuertes" (— Chametz) im jüdischen Haus sein oder auch während der 8 Tage des Festes woanders gegessen werden.
Der erste und zweite und auch der siebente und achte Tag wurden wie volle Feiertage begangen, an ihnen wurden alle Sabbat-Gesetze beachtet und Sabbat-Gottesdienste gehalten. An den vier Zwischentagen (— Chol Ha'Moed Pesach) konnte man wie an Werktagen seinem Beruf nachgehen, mußte aber die Vorschriften über das Essen des Ungesäuerten einhalten. Dies wurde in den Schenklengsfelder jüdischen Familien streng beachtet.
Schon Wochen vor dem Fest fingen die Frauen mit ihren Vorbereitungen an. Das Haus wurde von oben bis unten gründlich gereinigt. Diesen Früh­jahrsputz nannte man in Schenklengsfeld „schütteln". Küche und Eßräume nahm man ganz besonders unter die Lupe. Es wurde täglich gescheuert und geschrubbt. Schränke und Schubladen wurden ausgeräumt und oftmals sogar neu gestrichen. Man nahm das Gesetz wörtlich: Alles wurde von der Hausfrau inspiziert. Es durfte kein Krumen von Gesäuertem vorhanden sein. Die Schränke und Schubladen wurden mit neuem Papier ausgelegt. Das tägliche Milch- und Fleischgeschirr wurde für eine Woche auf den Dachboden gebracht und mit dem seit dem Vorjahr verstauten Pesach-Geschirr getauscht. Das geschah am Erev-Pesach. Am Morgen dieses Tages ging der Vater mit den kleinen Kindern durch das Haus, um noch Krumen vom Gesäuerten zu suchen. Er hielt eine Kerze in der einen und eine Gänsefeder in der anderen Hand. Fand er Krumen, die die Kinder vorher heimlich versteckt hatten, so fegte er diese auf ein Stück Papier zum Verbrennen. Dieser Brauch soll seine Verantwortung zeigen, daß kein Chametz im Haus übrigbleibt.  Zeiten und Gebete an Pesach waren im Grunde dieselben wie am Sabbat. Am ersten und zweiten Abend des Pesach-Festes wird nach der Andacht in der Synagoge zu Hause der Seder aus der Haggadah gelesen. Für diesen Abend gilt die Seder-Ordnung, die in der Haggadah beschrieben ist.
Eine sehr eindrückliche Schilderung eines Seder-Abends gab Heinrich Heine in seinem „Rabbi von Bacharach": „Sobald es Nacht ist, zündet die Hausfrau die Lichter an, spreitet das Tafeltuch über den Tisch, legt in die Mitte desselben drei von den platten ungesäuerten Broten (den Matzoth), verdeckt sie mit einer Serviette und stellt
auf diesen erhöhten Platz sechs kleine Schüsseln, worin symbolische Speisen enthalten, nämlich ein (hartgekochtes) Ei, Lattich, Meerrettichwurzeln, ein Lammknochen und eine braune Mischung von Rosinen,
Zimmet und gemahlenen Nüssen (mit Wein gemischt). (Dieses wurde das Charoseth genannt.) An diesen Tisch setzt sich der Hausvater mit allen Verwandten und Genossen und liest ihnen vor aus einem abenteuerlichen Buche, das die Agade (Haggadah) heißt. Dessen Inhalt ist eine seltsame Mischung von Sagen der Vorfahren, Wundergeschichten aus Ägypten, kuriosen Erzählungen, Streitfragen, Gebeten und Festliedern. Eine große Abendmahlzeit wird in die Mitte dieser Feier eingeschoben, und sogar während des Vorlesens wird zu
bestimmten Zeiten etwas von den symbolischen Gerichten gekostet, sowie alsdann auch Stückchen von dem ungesäuerten Brote gegessen und vier Becher roten Weines getrunken werden. Wehmütig heiter, ernsthaft spielend und märchenhaft geheimnisvoll ist der Charakter dieser Abendfeier, und der herkömmlich singende
Ton, wenn die Agade (Haggadah) von dem Hausvater vorgelesen und zuweilen chorartig von den Zuhörern nachgesprochen wird, klingt so schauervoll innig, so mütterlich einlullend und zugleich so hastig aufweckend,
daß selbst diejenigen Juden, die längst von dem Glauben ihrer Väter abgefallen und fremden Freuden und Ehren nachgejagt sind, in tiefstem Herzen erschüttert werden, wenn ihnen die alten, wohlbekannten Paschaklänge zufällig ins Ohr dringen."
Ein Extrabecher mit Wein ist auf den Tisch gestellt. Man erklärt diesen für den „Becher des Propheten Elia", des Beschützers aller Unterdrückten. Nach dem Tischgebet wird die Türe leicht geöffnet, als Zeichen, daß man den Propheten als Gast willkommen heißt. Die Matzoth und das dazugehörige Matzahmehl wurden alljährlich auf Vorbestellung von einer streng koscheren Bäckerei in Oberhessen geliefert. Andere spezielle Produkte für Pesach konnte man in Schenklengsfeld oder auch in Hersfeld kaufen. Zum Abschluß des Seder wird gemeinsam das Hallel (= das „Lied des Lobes", Psalm 113 -118) gesungen zum Dank für die Freiheit Israels.
Am zweiten Abend des Pesach beginnt man die sieben Wochen bis zum Schabuoth (= Pfingstfest), allabendlich nach dem Maariv-Gebet, zu zählen. Diese Zeit wird die Omer-Zeit (= die Zeit des Zählens) genannt. Diese 49 Tage wurden später als eine Art Trauerzeit betrachtet, während der man mit Ausnahme des 33. Tages keinerlei
freudige Feiern wie Hochzeiten halten soll. Die frommen Juden haben sich auch während dieser 32 Tage nicht rasiert und die Haare schneiden lassen. Am dreiunddreißigsten Tag aber durfte diese Trau­erzeit unterbrochen werden, und Feierlichkeiten durften stattfinden. Denn die Geschichte erzählt, daß während des letzten
Aufstandes der Juden gegen Rom eine Seuche ausbrach, der viele Studenten des berühmten Rabbi Akiba zum Opfer fielen. Angeblich endete die Krankheit ganz plötzlich am 33. Tag des Omer, der danach freudig gefeiert wurde.