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Projekt: Hans Löwenberg
Sukkoth (= Das Laubhüttenfest)
Dieses Fest beginnt am 15. Tischri, zwischen Mitte September und Mitte Oktober, und wird 9 Tage gefeiert. In früheren Jahren war es auch ein Ernte­dankfest, es war jedenfalls immer ein Fest der Freude. Das Gesetz schreibt vor, Sukkoth (=Laubhütten) zu errichten, in denen während der Feiertage die Mahlzeiten eingenommen werden. Die Bibel beschreibt 3. Mose 23, 42-43 folgendes: „Sieben Tage sollt ihr in Laubhütten wohnen. Wer einheimisch ist in Israel, soll in Laubhütten wohnen, daß eure Nachkommen wissen, wie ich die Israeliten habe in Hütten wohnen lassen, da ich sie aus Ägyptenland führte. Ich bin der Herr, euer Gott."
In Schenklengsfeld hatten alle Familien ihre Sukkah aufgebaut. Sie wurde meistens aus Holzbrettern, die
man von Jahr zu Jahr aufhob, neben der hinteren Türe im Garten oder auch vor dem Haus gebaut. Die Holzplatten waren ca. 50 cm breit und 2 m hoch, und der Schreiner hatte sie oft so angefertigt, daß sie ineinander gehakt werden konnten. Die einzelnen Teile waren numeriert, so war das Aufstellen ein
Kinderspiel und dauerte nur Minuten. Es wurden noch eine Türe eingebaut und ein Holzgitter als Dach aufgelegt und befestigt. Damit war die Konstruktion fertig, und nun wurde dekoriert: Teppiche auf dem Fußboden; Gobelins und Bilder an den Wänden, versehen mit Girlanden, Blumen und Hagebuttenketten;
Obst, an Fäden an der Decke hängend, schmückte den Raum. Aber die Hauptsache war, das Dach mit Sträuchern und Laubzweigen zu bedecken, denn das war ja der Sinn der Laubhütte. Wenn es regnete,
stellte man eine Zeltplane bereit. Tische und Stühle kamen hinein und - wenn möglich - eine Verlängerungsschnur vom Haus, um das Licht anzuschließen, und voilà: das Fest konnte beginnen! Einige Familien hatten stattdessen im Dachboden eine Blechplatte aus dem Dach herausgehoben, um eine Sukkah einzurichten. Das war aber nicht so praktisch, weil es an Regentagen ins Haus regnete, und außerdem war es unbe­quem, das Essen bis dort hinaufzutragen.
Obwohl es besonders für die Kinder ein Vergnügen war, bei schönem Wetter in der geschmückten Laube zu essen, war das nicht immer möglich, da es zu dieser Jahreszeit sehr oft regnete. Auf jeden Fall aber wurden dann wenigstens die Segenssprüche für den Kiddusch und die Barchesbrote in der Sukkah gesagt. Das neuntägige Fest war folgendermaßen eingeteilt: Die ersten zwei Tage galten als volle Feiertage mit den dazugehörenden Gottesdiensten und häuslichen Gebräuchen. Danach folgten die „Zwischentage" (— Chol Ha’-Moed), die mehr oder weniger reguläre Werktage waren. Der siebte Tag ist auch kein voller Festtag. Er heißt Hoschana Rabba. Die nächsten beiden Tage wurden Schemini Atzeret und Simchat Thora genannt.
Bei den täglichen Gebeten im Haus und in der Synagoge wurden wäh­rend der sieben Tage zur
Morgenandacht folgende Symbole benutzt: Der Lulav, ein länglicher Palmenzweig, der am unteren Ende drei von Palmstreifen geflochtene Ringe hat, in denen drei kleine Myrtenzweige und zwei Weiden­spitzen eingesetzt sind. Diesen hält man zum Gebet mit dem unteren Ende in der linken Hand, während man mit der rechten ein Ethrog (eine Art Zitrone) fest dagegen drückt. In einem kurzen Gebet schüttelt man in Richtung Osten, Süden, Westen, Norden, zum Himmel und nach unten zur Erde.
Am Sabbat während des Festes wird in der Synagoge die Schrift Koheleth des Sohnes Davids vorgelesen (Sprüche Salomos). In populärer Weise beschreibt er, daß die „Eitelkeit eitel ist und nichts anderes als Eitelkeit".
Der siebte Tag, Hoschana Rabba, ist kein voller Feiertag, aber manche Beson­derheiten waren für die Gemeinde wichtig. In einer eigenartigen Zeremonie wurden während der Morgenandacht alle Thorarollen
aus dem Schrank genommen und siebenmal unter Wiederholung eines Gebetsatzes um den Almemor getragen. Danach wurden die Myrten- und Weidenzweige des Lulav an den Stehpulten der Plätze zerschlagen.
Am Nachmittag kamen die Männer wieder in der Synagoge zusammen zur alljährlichen Versteigerung der Männer- und Frauenplätze. Das war oft ein lebhaftes Ereignis, aber meistens behielten die Leute dieselben Plätze wie im vorhergehenden Jahr. Bei dieser Zusammenkunft konnte man auch für die Ehre bieten, am Simchat Thora-Fest eine Thora aus dem Schrein zu heben. Dabei waren die erste und zweite Rolle die bevorzugten. Oftmals gab der großzügige Käufer der ersten Thora-Rolle außer dem Kaufpreis noch als besondere Spende ein Faß Bier, zu welchem er die Mitglieder der Gemeinde für den letzten Tag des Festes einlud. Oft wurde auch für den Wein für den Synagogen-Kidusch gespendet oder ein Samtmantel für eine
der Thora-Rollen.
Kurz nach Sonnenuntergang fing der Schemini Atzereth, der 8. Tag des Festes, an. Der Ritus in der Synagoge und auch zu Hause unterschied sich vom Sabbat nur durch einige zusätzliche Liturgien. Für alle Festtage hatte man besondere Gebetbücher, die Machsorim. Sie hatten meistens den Vorteil, daß auf der rechten Seite des Buches der hebräische Text stand und gegenüber die wörtliche Übersetzung in der Landessprache. So wie am Schavuot-Fest gab es auch an diesem Vorabend ein Hauslernen bis spät in die Nacht.
Die letzten Tage des Sukkoth-Festes brachten viele Besucher nach Schenklengsfeld, hauptsächlich die Söhne und Töchter, die in den Städten Anstellung gefunden hatten oder einer akademischen Ausbildung folgten. Außerdem kamen Ehepaare, von denen der eine Elternteil aus Schenklengsfeld stammte, mit ihren Kindern. Besucher kamen auch an anderen Festen wie Passah oder Schavout, aber am Sukkoth-Fest fuhr
man am liebsten nach Hause. An solchen Tagen war natürlich die Synagoge voll besetzt, und man konnte
mit besonderem Interesse die neueste Hut- und Kleidermode auf der oberen Galerie betrachten.
Am letzten Feiertag, dem Simchat Thora, wurden während der Morgenan­dacht beim Thoravorlesen die
beiden letzten Abschnitte des fünften Buches Mose und der erste Abschnitt aus dem ersten Buch Mose gelesen. Zur Ehre des Tages wurden alle Thora-Rollen aus dem Schrein genommen, und die Männer, die
zuvor die Würde erworben hatten, nahmen nun unter allgemeinem Gesang des Hosanna-Liedes an dem tanzenden Umzug um den Almemor (Vorlesetisch) teil. Zwischendurch gab man die Thora an andere weiter, und wenn man sie wieder zurückerhielt, brachte man sie wieder in den Thora-Schrein. Die kleinen Kinder, die natürlich an dem Umzug mit Freuden teilnahmen, wurden während dieser seltenen Zeremonie von allen Seiten mit Süßigkeiten beschenkt. Damit stopften sie nicht nur ihre Taschen, sondern auch den Magen voll. Am Nachmittag trafen sich die meisten Ehepaare unter den Kastanienbäumen in Gehebs Wirtsgarten bei der Linde, um dem großzügigen Stifter des Fasses Bier zu helfen, es zu leeren. Wer dann noch aufstehen konnte, ging zum letzten Gebet zur Synagoge. Es war ein wahres Freudenfest!
In manchen Jahren gab es an diesem letzten Abend des Festes einen Ball im Saal, mit einer Musikkapelle dazu. Zu diesem Zweck wurde frühzeitig ein Komitee ernannt, dessen Aufgabe es war, eine Absprache mit den umliegenden jüdischen Landgemeinden zu treffen. Wenn z. B. schon ein Simchat-Thora-Ball für diesen Abend in Rhina oder Bebra geplant war, hielt man es für unpraktisch, auch in Schenklengsfeld einen zu veranstalten. Außerdem gab es noch am Purim (siehe weiter oben) einen solchen Ball, und er brachte immer viele auswärtige Gäste hierher. Natürlich waren das hauptsächlich unverheiratete junge Leute, und manch einer hat auf diese Weise seinen späteren Ehepartner kennengelernt.