Der Neunte des Monats Av (= Ein Fast- und Trauertag)
Es gibt in der jüdischen Geschichte mehrere wichtige Gedächtnistage, die zwar als Werktage keine
besonderen Gebote haben, aber von den gläubigen Juden streng als ganze oder halbe Fasttage gehalten
werden. Der wichtigste dieser Tage ist Tischa b'av, ein ganzer Fasttag - 24 Stunden - am 9. Tag des
Monats Av, ungefähr Mitte Juli. Für alle Juden ist dies der traurigste aller Trauertage in der biblischen
Geschichte.
An diesem Tag war es, daß im Jahre 586 v. Chr. der erste Tempel in Jerusalem zerstört wurde, und zur
selben Zeit im Jahre 70 n. Chr. zerstörte der Kaiser Titus den zweiten Tempel. Am 18. Juli 1290 nach Chr.,
dem neunten Av, gab König Edward den Befehl, alle Juden aus England zu vertreiben. Eine Anordnung von
Ferdinand und Isabella schickte alle spanischen Juden 1492 ins Exil, und die letzten verließen Spanien
am 9. Av desselben Jahres.
Der Vorabend und der nächste Tag der Trauer wurden in der Synagoge in tiefem Gebet verbracht. Der
Thoraschrein war mit schwarzem Tuch verhängt. Man hatte die Schuhe im Gotteshaus ausgezogen und saß
auf mitgebrachten niedrigen Schemeln wie bei der Trauer um einen Blutsverwandten. Tallith und Tephillin
wurden an diesem Tag nicht zum Morgengebet angelegt, sondern erst am Nachmittag zum Mincha-Gebet.
Nach der Thora-Verlesung wird in der Haftara das Trauerlied des Propheten Jeremia 8,13 - 23 vorgetragen.
Die Klagelieder des Jeremia werden fast weinend und seufzend laut von dem Vorbeter rezitiert.
Ähnlich wie am Jom Kippur wird der Vorabend und der Tag der Trauer und der Klage im Hause Gottes
verbracht. Während der ersten neun Tage des Monats wurden von den Juden keine Fleischgerichte
gegessen. So wie bei persönlichen Trauerfällen nach dem Tode eines Familienmitglieds hat man sich
während der ersten neun Tage des Monats nicht rasiert und nicht die Haare schneiden lassen.
Ähnliche Tage des Fastens und der Trauer über Belagerungen, Zerstörungen und Deportierungen, unter
denen die Juden gelitten hatten, sind der 10. Tag des Monats Tebeth (im Dezember), der 17. Tag des
Tamuz (Ende Juni) und das Fasten vor Gedaliah, am Tag nach Rosch ha'schana, dem dritten Tischri.
Als letztes soll noch der 15. Tag des Monats Schevat erwähnt werden, der Tag, an dem die „Neuen Säfte
der Natur in die Bäume steigen". An diesem Tag im Februar, wenn es das Wetter erlaubt, wird mit dem
Säen und Pflanzen angefangen. So war es im Lande der Israeliten, und so ist es wahrscheinlich auch heute
noch.