Beerdigungen
Beim Tode eines Juden übernahm die Chevrah Kadischa (bei Frauen eine entsprechende Vereinigung) die
Vorbereitungen zum Begräbnis. Der einfache Sarg aus Fichtenholz wurde im Beisein eines Mitglieds in
einer örtlichen Schreinerei angefertigt. Die Verstorbenen wurden im eigenen Haus von Kopf bis Fuß
gewaschen, die Männer in einem Sterbehemd und die Frauen in einem Leinenkittel in den Sarg gelegt. Die
Chevrah sorgte in den Stunden vor der Bestattung für eine dauernde freiwillige Ehrenwache für die
Toten. Das Begräbnis mußte innerhalb 24 Stunden stattfinden, jedoch wenn jemand am Freitag
gestorben war, wurde er (sie) nicht am Sabbat, sondern am Sonntag begraben.
Nachdem der Sarg ins Grab gesenkt war, nahm der Geistliche drei Schaufeln Erde und warf sie auf den
Sarg. Dazu sagte er: „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück. Und kehrt der Staub zur Erde
zurück, woher er gekommen ist, so kehrt der Geist zu Gott zurück, der ihn gegeben!" Verwandte und
Mittrauernde taten dasselbe. War das Grab zugeschüttet, so trat der Sohn des Verstorbenen vor das
Grab und sagte in Anwesenheit von zehn Männern das Kaddisch-Gebet Sein Schlußsatz lautet: „Der in
seinen Höhen den Frieden schafft, er gebe in Seiner Barmherzigkeit auch uns und ganz Israel Frieden.
Darauf sagt Amen!" Beim Ausgang des Friedhofes wurde als Zeichen der Trauer den nächsten männlichen
Angehörigen der Kragenaufschlag eingerissen.
Man durfte nach einer Beerdigung kein Haus betreten, ohne sich vorher die Hände zu waschen. Es wurde
dafür gesorgt, daß vor dem Trauerhaus ein Becken mit Wasser und ein Handtuch bereitstanden. Man
schöpfte Wasser über die Hände, sonst hätte man das Wasser verunreinigt. Nach der Beerdigung begann
im Trauerhaus die Schivah (= die sieben Tage des Trauersitzens). Sie gilt aber nur für die
Blutsverwandten. Während der „Schivah" (Trauerwoche) sitzen die Trauernden ohne Schuhe auf
niedrigen Schemeln. Am Sabbat ruht die Trauer. Wenn aber eine Beerdigung am Freitag stattfindet, dann
sitzen die Angehörigen nur eine Stunde am Freitag vor dem Sabbat und erst wieder am Sonntag bis zum
Donnerstagabend.
Während der Woche der Schivah wurden die täglichen Andachten anstatt in der Synagoge im Trauerhaus
abgehalten, um den Angehörigen die Möglichkeit zum Kaddisch zu geben. In dieser Zeit kamen auch
Besucher, die sogar für die Trauernden etwas zu essen mitbrachten und den Hinterbliebenen Trost
zuflüsterten. Die Blutsverwandten waren in tiefer Trauer für 30 Tage (= Scheloschim) und durften sich
weder rasieren noch die Haare schneiden oder gar an Vergnügungen teilnehmen. Der Jahrestag des
Todes wurde Jahrzeit genannt. Alljährlich zündeten die Kinder der Verstorbenen ein 24stündiges
Jahrzeitenlicht an und gingen zur Synagoge, um das Kaddisch-Gebet für den Verstorbenen zu sagen.
Viele Jugendliche verließen nach ihrer Schulzeit das Dorf, um in größeren Städten Anstellungen zu finden.
Andere, die das Gymnasium besucht hatten, gingen zum Studium in die Universitäts-Städte. Dadurch
verkleinerten sich die Familien in den Dörfern und ebenso auch die Gemeinden, von denen sich manche
gänzlich auflösten.