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Projekt: Hans Löwenberg
Beerdigungen
Beim Tode eines Juden übernahm die Chevrah Kadischa (bei Frauen eine entsprechende Vereinigung) die Vorbereitungen zum Begräbnis. Der einfache Sarg aus Fichtenholz wurde im Beisein eines Mitglieds in einer örtlichen Schreinerei angefertigt. Die Verstorbenen wurden im eigenen Haus von Kopf bis Fuß gewaschen, die Männer in einem Sterbehemd und die Frauen in einem Leinenkittel in den Sarg gelegt. Die Chevrah sorgte in den Stunden vor der Bestattung für eine dauernde freiwillige Ehrenwache für die Toten. Das Begräbnis mußte innerhalb 24 Stunden stattfinden, jedoch wenn jemand am Freitag gestorben war, wurde er (sie) nicht am Sabbat, sondern am Sonntag begraben.
Nachdem der Sarg ins Grab gesenkt war, nahm der Geistliche drei Schaufeln Erde und warf sie auf den Sarg. Dazu sagte er: „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück. Und kehrt der Staub zur Erde zurück, woher er gekommen ist, so kehrt der Geist zu Gott zurück, der ihn gegeben!" Verwandte und Mittrauernde taten dasselbe. War das Grab zugeschüttet, so trat der Sohn des Verstorbenen vor das Grab und sagte in Anwesenheit von zehn Männern das Kaddisch-Gebet Sein Schlußsatz lautet: „Der in seinen Höhen den Frieden schafft, er gebe in Seiner Barmherzigkeit auch uns und ganz Israel Frieden. Darauf sagt Amen!" Beim Ausgang des Friedhofes wurde als Zeichen der Trauer den nächsten männlichen Angehörigen der Kragenauf­schlag eingerissen.
Man durfte nach einer Beerdigung kein Haus betreten, ohne sich vorher die Hände zu waschen. Es wurde dafür gesorgt, daß vor dem Trauerhaus ein Becken mit Wasser und ein Handtuch bereitstanden. Man schöpfte Wasser über die Hände, sonst hätte man das Wasser verunreinigt. Nach der Beerdigung begann im Trauerhaus die Schivah (= die sieben Tage des Trauersitzens). Sie gilt aber nur für die Blutsverwandten. Während der „Schivah" (Trauerwoche) sitzen die Trauernden ohne Schuhe auf niedrigen Schemeln. Am Sabbat ruht die Trauer. Wenn aber eine Beerdigung am Freitag stattfindet, dann sitzen die Angehörigen nur eine Stunde am Freitag vor dem Sabbat und erst wieder am Sonntag bis zum Donnerstagabend.
Während der Woche der Schivah wurden die täglichen Andachten anstatt in der Synagoge im Trauerhaus abgehalten, um den Angehörigen die Möglichkeit zum Kaddisch zu geben. In dieser Zeit kamen auch Besucher, die sogar für die Trauernden etwas zu essen mitbrachten und den Hinterbliebenen Trost zuflüsterten. Die Blutsverwandten waren in tiefer Trauer für 30 Tage (= Scheloschim) und durften sich
weder rasieren noch die Haare schneiden oder gar an Vergnügungen teilnehmen. Der Jahrestag des Todes wurde Jahrzeit genannt. Alljährlich zündeten die Kinder der Verstorbenen ein 24stündiges Jahrzeitenlicht an und gingen zur Synagoge, um das Kaddisch-Gebet für den Verstorbenen zu sagen.
Viele Jugendliche verließen nach ihrer Schulzeit das Dorf, um in größeren Städten Anstellungen zu finden. Andere, die das Gymnasium besucht hatten, gingen zum Studium in die Universitäts-Städte. Dadurch verkleinerten sich die Familien in den Dörfern und ebenso auch die Gemeinden, von denen sich manche gänzlich auflösten.