Siegfried Speier kehrte bereits im
August 1934 nach Niederaula
zurück. „Für einen Juden war es
aussichtslos wieder eine Arbeit zu
finden“, schildert er Heidi Rößing
seine Situation. „Auch für meine
Eltern war es äußerst schwierig
geworden sich wirtschaftlich am
Ort zu halten, die Kundschaft war
nach und nach weggeblieben."
Handgreifliche Zwischenfälle
In diesen Jahren bekamen die Juden
auch keine Post mehr zugestellt.
Vater Sally Speier ging also jeden
Tag zur Poststelle und holte seine
Briefe ab. Bei einem dieser Gänge
umstellte ihn plötzlich eine Horde
Jugendlicher und bedrohte ihn. So
umringt, war es ihm nicht möglich
nach Hause zu kommen. Die
Jugendlichen drängten ihn Schritt
für Schritt in die entgegengesetzte
Richtung ab. Geschickt durchbrach
er den ihn umzingelnden Kreis und
flüchtete in das nächste
Bauernhaus. Dort rannte er die
Treppe hoch, um die Verfolger
abzuschütteln. Der Hausherr, von
dem Tumult aufgeschreckt, jagte
die Jugendlichen vom Hof und bat
telefonisch den Ortspolizisten, Sally
Speier nach Hause zu begleiten.
„Es blieb nicht bei einer
Anpöbelung, wiederholte Male
belästigten Jugendliche meinen
Vater und schlugen ihn. Erst das
Eingreifen von Ortsgendarm Seng,
der die Jungen energisch
verwarnte, sicherte ihm den
Heimweg“, erinnert sich der Sohn.
„Das waren für meinen Vater
bittere Erlebnisse!“
Abends, im Schutze der Dunkelheit,
erschreckten zwei andere
Jugendliche die Familie und warfen
Steine gegen die Fenster.
Vorsorglich wurden die
Fensterläden, soweit sie vorhanden
waren, in dieser unsicheren Zeit
rechtzeitig geschlossen. Die
energische Drohung eines SS-Mannes, der bei Speiers in der
oberen Etage zur Miete wohnte,
gebot den zwei Jugendlichen
Einhalt. Eine Anzeige gegen die
Übeltäter wäre zwecklos gewesen,
Anzeigen wegen Attacken gegen
Juden und ihre Einrichtungen
verliefen als angeblich harmlose
Jugendstreiche im Sande und
zersplitterte Glasfenster an
jüdischen Häusern waren laufend
zu beklagen.
Das Gehöft der Familie Bieber in der Bahnhofstraße in
Niederaula (Gemälde von G. Hohmann). Hierhin flüchtete sich
Siegfried Speiers Vater Sally, als er beim Abholen der Post von
Jugendlichen bedrängt und angegriffen wurde.