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Adolf und Berni Speier mit ihren beiden Töchtern 1940.
Gebäude Hanfsack 2 in Hersfeld. Dort wohnte Tante Berta Nussbaum. Inzwischen ist das Fachwerk an dem Haus freigelegt.
Als in den frühen Morgenstunden des 8. Novembers 1938 die Ausschreitungen gegen die Rotenburger Juden begannen, gehörte auch das Geschäftshaus Speier in der Breitenstraße zu den Adressen blinder Zerstörungswut. Adolf Speiers Familie hatte bereits Jahre zuvor ihre Wohnung im eigenen Haus räumen müssen und war in eine Unterkunft im
Hinterhaus platziert worden, sodass die Speiers erst im Laufe des Morgens die Verwüstungen in ihrem Ladengeschäft wahrnehmen konnten. Adolf Speier wähnte im November 1938 seine Familie vor Angriffen außerhalb Rotenburgs
besser geschützt und brachte sie deshalb nach Hersfeld zu Tante Bertha Nussbaum, geb. Oppenheim, die im
Hanfsack 2/ Ecke Kettengässchen wohnte. Sie war die Kriegerwitwe eines Frontsoldaten aus dem Ersten Weltkrieg.
Ihr Mann Sally Nussbaum war am 6. Mai 1915 im Cumierwald in Frankreich gefallen. Bei ihr - so glaubte man -,
könne ihnen so schnell nichts passieren. Adolf Speier vertraute auch darauf, dass sie in Hersfeld unbekannt und sich deshalb persönlich weniger bedroht sehen würden. Nach der Erinnerung seiner Tochter Ilse/ Yehudith suchte Adolf Speier in Hersfeld Zuflucht bei einem guten Bekannten im Haus Bahnhofstraße 11. Ein Rotenburger Zeitzeuge, der
damals als Mieter im Haus Speier wohnte, berichtete dagegen, Adolf Speier sei am selben Tag von Hersfeld wieder
nach Rotenburg zurückgekehrt und habe sich während der erneuten Ausschreitungen gegen die jüdischen Bürger Rotenburgs in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 unentdeckt auf dem Dachboden des Hinterhauses versteckt gehalten. Als Adolf Speier dann die Sachen für die Abreise zusammenpacken wollte, habe sich ihm ein Bild des
Grauens geboten. Schränke und Tische waren umgeworfen, die ganze Wohnung geplündert.

  
Klick: Schilderung der Geschehnisse im November 1938 durch einen Rotenburger Zeitzeugen
Klick:  Ilse-Yehudith Speier-Epsteins "Erinnerungen an die Kristallnächte" (sprachlich leicht überarbeitet)