In dem letzten Telegramm, das Ilse-Yehudith und ihre
Schwester Loni von den Eltern aus Frankfurt erreichte,
wurden sie von diesen gebeten, ihre Antwortbriefe
nur noch an die Adresse von Minna Fischer zu
schicken.. "Schreibt nur noch Minna Fischer Auerbach
(Vogtland), Mosenstrasse 9" - so die Botschaft von
Berta und Adolph Speier an die Kinder am 10.
September 1942. Was die Kinder nicht wussten:
Minna Fischer war eine Cousine ihrer Mutter.
Minna Fischers Mutter Fradchen war die Schwester
von Herz Oppenheim aus Erdmannrode, dem Vater
von Berni Speier, geb. Oppenheim. Fradchen hatte
einen Metzger namens Lilienfeld geheiratet, Tochter
Minna heiratete den nicht-jüdischen Rechtsanwalt
Fischer. Die Familie wohnte vorübergehend in
Niederaula, verlegte ihren Wohnsitz dann nach
Auerbach im Vogtland. Minna Fischer überlebte den
Holocaust.
Um ihre Kinder zu schonen, verschwiegen Adolf und
Berni Speier ihre bevorstehende Deportation von
Frankfurt nach Theresienstadt. Nach dort waren über
das Rote Kreuz Telegramme nur aus dem Gebiet des
Deutschen Reiches möglich, ebenso konnten von
Theresienstadt aus Briefe bzw. Telegramme nicht an
Adressen außerhalb des Deutschen Reiches verschickt
werden.
Am 25. November 1942 meldete sich "Tante Minna"
aus Auerbach im Vogtland erstmals bei den Kindern
mit einem Kurzbrief, der am 8. Januar 1943 in
Jerusalem ankam, bei den Kindern aber große
Verwirrung stiftete, denn sie kannten keine Tante
Minna. Ebensowenig wusste Adolphs Schwester Berta
von einer Cousine namens Minna Fischer, von der sie
am 23. September 1942 eine in Auerbach abgeschickte
Botschaft erhielt - mit der Bitte: "Schreibe nur noch an
mich." Ihr Bruder hatte sie allerdings schon am 10.
September 1942 darauf vorbereitet, als er schrieb:
"Schreibe nur noch Niederaulaer Minna Fischer Auerbach
(Vogtland), Mosenstraße 9."
Mit "Minna Fischer" unterzeichnet sind es insgesamt 20
Telegramme, die Loni und Ilse Speier und ihre Tante
Berta in der Folgezeit erreichen. Das letzte Telegramm
von "Tante Minna" trägt das Absendedatum 7.
November 1944: "Wir gesund, ebenso Eure Eltern, sie
grüßen herzlichst." Nach allem, was wir über Adolph
und Berni Speiers Schicksal wissen, waren sie zu
diesem Zeitpunkt aber bereits in Auschwitz ermordet.
Die Kommunikation war seit Mitte 1941 auf
Telegramme mit 25 Wörtern beschränkt, die der Zensur
unterlagen und durch das Rote Kreuz vermittelt wurden.
Klick: Die beiden letzten Telegramme von "Tante
Minna", datiert 14. Sept. 1944 bzw. 7. Nov. 1944
Klick: Telegramme an Tante Minna Fischer