Grabstein von Lehrer
Herz Spiro, gest.
28.7.1892 im Alter von
75 Jahren, auf dem
jüdischen Friedhof in
Schenklengsfeld.
"Mein Großvater, der im Jahre 1817 in Fulda geboren war
als Sohn eines Kaufmannes, wurde 1840 Lehrer an der
kurfürstlich-hessischen jüdischen Volksschule in
Schenklengsfeld und wurde im Jahre 1866 durch die
preußische Regierung als Beamter übernommen. Hessen
gehörte zu den wenigen preußischen Provinzen, in denen es
auf Grund alter Edikte staatliche jüdische Volksschulen gab.
Mein Großvater war ein sehr gelehrter Mann, sowohl in
profanen als auch in talmudischen Fächern. Er stand an
Bildung weit über dem Durchschnitt der damaligen Lehrer.
In seiner Jugend hatte er mehrere Jahre lang die berühmte
Jeschiwe des Rabbi Seckel Wormser in Gelnhausen besucht,
und er gehörte zu den wenigen Männern, die, ohne Rabbiner
zu sein, den Titel eines „Morenu Raw" (= Unser Lehrer, der
Rabbiner) führen durften. Er hatte auch französisch und
englisch gelernt. Ich erinnere mich, daß er in seinen letzten
Lebensjahren - er starb 1892 - als er wegen seines
Gesundheitszustandes pensioniert war, seinen Enkelkindern
englischen Unterricht erteilte. Dieser Unterricht war bei uns
Kindern wenig beliebt, denn mein Großvater war von einer
ganz außergewöhnlichen Strenge. In der Gemeinde genoß
er eine unbestrittene Autorität. Man sprach von ihm mit
großer Ehrfurcht, manchmal auch mit Furcht."
Samuel Spiros Großvater Herz Spiro war theologisch
stark von der Kabbala und ihren mystischen
Vorstellungen geprägt, in seinem Schenklengsfelder
Wirkungskreis sammelte er schließlich eine
kabbalistisch orientierte Anhängerschaft um sich.
Samuel Spiro in seinen
"Jugenderinnerungen
aus hessischen
Judengemeinden":