"Daß der Antisemitismus gerade in Hessen so große
Erfolge erzielen konnte, hatte seine besonderen
Gründe. Durch den Viehhandel, der den
Haupternährungszweig der Juden in allen hessischen
Dörfern bildete, wurden die Beziehungen zwischen
Juden und Bauern sehr eng. Die vielfach in mißlichen
wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden christlichen
Bauern wandten sich an ihre jüdischen
Geschäftsfreunde um Kredite und erhielten sie gegen
Zinsen und gegen Verpfändung ihrer Ländereien.
Wenn dann die Bauern mit ihren Zahlungen in Verzug
gerieten, veranlaßten die Juden die Parzellierung
der Ländereien und verkauften sie oft mit hohem
Gewinn an andere wohlhabende Bauern. Die Juden,
die dieses etwas anrüchige Geschäft betrieben,
wurden als „Güterschlächter" bezeichnet. Ihre Zahl
war nicht groß, aber sie trugen nicht unwesentlich
dazu bei, daß die Saat des Antisemitismus in Hessen
auf besonders fruchtbaren Boden fiel. Wie immer in
der Geschichte des jüdischen Volkes machte man die
Gesamtheit für die Fehler weniger verantwortlich.
Auch bei den Juden selbst standen diese
„Güterschlächter" nicht in hohem Ansehen, aber sie
hatten Einfluß in der Gemeinde kraft ihres Reichtums,
den sie durch ihre unsauberen Geschäfte erworben
hatten. Auch mein Vater kämpfte gegen die einer
Enteignung der verarmten Bauern gleichkommenden
Methoden an, aber seine Bemühungen scheiterten an
der Geldgier der Güterschlächter. Doch die Mehrzahl
der hessischen Juden verdiente ihr Brot auf ehrliche
Weise, und ihre Beziehungen zu den Bauern waren
vertrauensvoll. Die großen Güter hatten ihre
sogenannten Hofjuden, mit denen sie alle ihre
Viehgeschäfte abschlossen. Der Versuch, diese
„Hofjuden" zu verdrängen, galt als höchst
unehrenhaft und führte zu tödlicher Feindschaft
zwischen den Beteiligten."
Samuel Spiro in seinen
"Jugenderinnerungen aus
hessischen Judengemeinden":
Die oben abgebildete Karikatur versucht, die jüdischen
Viehhändler als Betrüger darzustellen, die gestenreich
dem potentiellen Käufer ihr Angebot schmackhaft
machen wollen.
Die Darstellung unten zeigt den Juden als Inkarnation
alles Bösen, dessen Machenschaften der redliche
Landmann sich nur mit göttlichem Beistand erwehren
kann.