Wohltätigkeit war selbstverständlich
Zu Pessach gabs immer die Mazzen. Als Kind gab mir der Joseph oft zwei, drei
Stück, die nahm ich mit in die Schule. Die waren sehr begehrt bei den Kindern.
Wenn die Kinder vom Josefsheim mir dann die Mazzen wegaßen, hab ich's dem
Joseph erzählt. Die Folge war, dass sofort ein Sack Mazzen ins Josephsheim
geschickt wurde. Ja, der Joseph war sehr wohltätig, er war auch in Hünfeld sehr
angesehen, bei ihm kaufte die ganze Umgebung ein.
Wo arme Leute waren, wurde immer geholfen. Ich kann das wie keine andere
sagen, ich hab es nämlich oft weggetragen, weil die Hausmädchen geschimpft
haben: “Ach, jetzt müssen wir schon wieder Tröpfchen für die machen.” Für arme,
kranke, alte Leute wurden solche Sachen gemacht. Das war für die Straussens eine
Selbstverständlichkeit und zwar ohne Unterschied der Konfession.
Die Jeanette und die Male das waren alte Leute, arm ist kein Ausdruck. Die kamen
eigentlich jede Woche in den Laden und haben sich was geholt. Die kamen auch zu
uns rauf, und da haben sie auch etwas gekriegt. Und es gab auch viele arme
Juden. Ein bisschen wohlhabender waren die Straussens, der Katz und der
Tannenbaum. Sie waren keine reichen Leute, aber fleißige Leute. Die haben doch
jeden Abend bis 10 oder halb 11 im Büro gesessen und geschafft.
Milly und Alfred waren viel bei uns
Meine früheste Erinnerung an die Milli ist: Als sie ein kleines Baby war, durfte ich
sie in ihrem Kinderwagen in der Bahnhofstraße auf und ab fahren. Da war ich acht
Jahre alt.