Hermann Döllefeld |
Hier ruht
Tzvi Sohn von Yitzhak Gesotrben am 27. Heshvan Und wurde begraben am 1. Kislev 2687 Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens Hier ruht Hermann Döllefeld Geboren am 26. März 1871 Gestorben am 4. November 1926
H. L.
Tzvi son of Yitzhak died on 27 Heshvan and was buried on 1 Kislev 5687 may his soul be bound in the knot of life Here lies Hermann Dőllefeld born 26 March 1871 died 4 November 1926
p. n.
Tzvi bar Yitzhak met b'yom kaf-zayin Heshvan v'nikbar b'r. h. [rosh-hodesh] kislev taf-resh-peh-zayin l'prat. tantzeva |
Hermann Döllefeld hatte in der Nürnberger Straße Nr. 30 eine Sattler- und Polstererwerkstatt eingerichtet und verkaufte hier auch Möbel. Nach seinem Tod führte seine Witwe Clara geb. Wallach das Geschäft bis 1938 weiter. Eine damals dreijährige Zeitzeugin erinnert sich, wie sie an der Hand ihrer Mutter im November 1938 die Nürnberger Straße entlang ging und zu erkennen glaubte, dass aus einem der Fenster der Polsterei Döllefeld Stroh auf die Straße geworfen würde, bis die Mutter sie belehrte, es handele sich nicht um Stroh, sondern um Füllmaterial aus der Polstererwerkstatt. Hermann Döllefelds Frau Clara geb. Wallach stammte aus Nesselröden bei Eschwege. Sie wurde zusammen mit Bebraer Juden am 30. Mai nach Kassel deportiert und von dort am 1. Juni in das Vernichtungslager Sobibor in Ostpolen.
Zusammen mit seinem Glaubensgenossen Salomon Katz kandidierte Hermann Döllefeld (auf Platz 16) im März 1919 auf dem Wahlvorschlag Kaiser für die Wahl zum Gemeindeparlament. Die Kandidaten auf dem Wahlvorschlag Kaiser orientierten sich an den politischen Zielsetzungen der (links)liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die zusammen mit der SPD und der Zentrumspartei sich eindeutig zur Weimarer Republik bekannte, sehr bald aber an Unterstützung durch die Wähler und ihren Einfluss auf das politische Geschehen verlor, so auch in der Bebraer Kommunalpolitik.
Hermann und Clara Döllefelds jüngster Sohn Alfred, genannt Fredi, geboren am 20. April 1915, hielt sich im November 1938 bei seinem Onkel Sally Süßkind in Heuchelheim bei Gießen auf. Er war am Tag nach dem Überfall auf das elterliche Haus in der Nacht vom 7. zum 8. November 1938 nach Bebra geeilt, konnte jedoch keinen Kontakt zur örtlichen Polizei herstellen. Deshalb meldete er von Heuchelheim aus den Diebstahl seiner Leica-Kamera, mehrerer Paar Schuhe und eines neuen Anzugs. (siehe Faksimile seines Briefes an die Bebraer Ortspolizeibehörde vom 9. Nov. 1938)
Erich Döllefeld, Hermann und Clara Döllefelds zweiter Sohn, geb. am 6. September 1911, war im zweiten Lehrjahr, als der Vater am 4. November 1926 als 55-Jähriger verstarb. So wurde binnen kürzester Frist aus dem Lehrling der für die elterliche Sattlerei und Polsterei verantwortliche Geschäftsführer. Die Gesellenprüfung legte er im Juni 1928 ab (siehe Urkunde).
Trotz der erheblichen Einbußen in seinem Geschäft durch die NS-Machtübernahme absolvierte Erich die Meisterkurse der Kasseler Handwerkskammer und legte im Mai 1935 die Meisterprüfung ab.
Erich Döllefeld machte sich aber offenbar trotz Erwerb des Meisterbriefs keine Illusionen über seine persönliche und berufliche Zukunft in Deutschland. Mit Nachdruck organisierte er seine Ausreise nach Johannesburg in Südafrika, die ihm am 1. Oktober 1936 gelang. Dort aber war sein fachliches Können zunächst nicht gefragt, erst 1941 konnte er in seinem erlernten Beruf als Polsterer tätig werden. Bis dahin musste er sich mit einem sehr geringen Einkommen zufrieden geben. Aber auch bei der Polsterei Morris Light in Johannesburg seit Jahresbeginn 1941 war seine Entlohnung ziemlich bescheiden, wie aus den Dokumenten zu erkennen ist, die er 1958 bei der Kasseler Entschädigungsbehörde vorlegte.
Die Anträge von Erich Döllefeld und seines Bruders Alfred (geb. 20. April 1915), dem 193x die Ausreise in die USA gelang, geben auch Aufschluss über das Schicksal ihres älteren Bruders Walter (geb. 19. Februar 1910), der am 30. Mai 1942 zusammen mit seiner Mutter Klara geb. Wallach deportiert wurde und in Lublin-Majdanek umkam. Walter hatte in Fulda das Abitur abgelegt. Mit der Fächerkombination Mathematik, Physik und Chemie strebte er eine Tätigkeit als Gymnasiallehrer an. Sein Studium begann er 1928 in Gießen, um es 1930 an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt fortzusetzen. Dort war er bis zum 30.April 1933 immatrikuliert. Als es um die von den beiden Brüdern in Gang gesetzte Entschädigung für „Schaden an der Ausbildung“ bzw. „berufliches Fortkommen“ ging, verneinte die Behörde die entsprechenden Forderungen, weil sich in den Frankfurter Akten keine Examensnachweise für Walter Döllefeld befanden. Der von den Brüdern beauftragte Anwalt scheiterte mit seiner Argumentation, dass es „rassische Verfolgung“ war, die Walters Fehlen in den Prüfungslisten erklären. Nach Erich Döllefelds Darstellung reichte es für Bruder Walter in den Jahren 1934 bis 1936 bei den kleinen kaufmännischen Aushilfsstellungen lediglich zu einem kleinen Taschengeld. 1936 war es aber selbst damit vorbei, denn aufgrund einer groben Misshandlung verlor Walter vollkommen die Sprache.
Alfred Döllefeld verließ Bebra am 18. Juli 1941. Es war wohl seine Inhaftierung im Lager Breitenau von Januar bis Mai 1941, die ihn alle Hebel in Bewegung setzen ließ, um aus dem Machtbereich der Nazis zu entkommen. Die Misshandlungen und Haftbedingungen im Lager Breitenau sind es dann auch, die er 1960 bei seinem Entschädigungsantrag als wesentlichen Grund für seine gesundheitlichen Probleme anführt. Von 1939 bis zu seiner Inhaftierung in Breitenau im Januar 1941 war Alfred Döllefeld zur Arbeit bei einer Bebraer Baufirma dienstverpflichtet worden. Aufgrund welcher Vorkommnisse er im Januar 1941 in Bebra verhaftet und dann in das Konzentrationslager Breitenau überführt wurde, ist nicht bekannt geworden. Alfred verdankt seine Einreisegenehmigung in die USA der Initiative einer Spendergruppe um den New Yorker Max Joseph, die von Alfreds spezieller Notlage als Lagerinsasse in Breitenau gehört hatte, der nur unter der Auflage der sofortigen Auswanderung seine Freilassung erhalte. Die für ihn gesammelten 1050 US-Dollar zur Bestreitung der Kosten für die Überfahrt und deren Vorbereitung zahlte Alfred seinen Wohltätern in New York später sukzessive zurück.
Alfred hatte nach seiner Schulentlassung ab 1929 eine kaufmännische Lehre bei der Firma Kugelmann in Witzenhausen gemacht und dort auch seine erste Anstellung gefunden. Von 1934 bis 1938 war er dann für die jüdische Firma S. Hamburger in Burgsinn tätig. Hier konnte er für einen Moment sich der Illusion hingeben, als körperlich leistungsfähiger junger Mann zur „Volksgemeinschaft“ zu gehören. Denn zu dem dortigen Musterungstermin am 27. Juli 1935 war er in gleicher Weise wie seine „arischen“ Jahrgangskameraden aufgerufen worden und bekam vom Musterungskommando die Bestätigung seiner vollen Tauglichkeit als Rekrut. Auch für das Gruppenfoto mit dem Bürgermeister durfte er sich in Positur werfen. Um dann jedoch zu erfahren, dass er aus rassischen Gründen nicht eingezogen werde. Das Gruppenfoto mit dem Bürgermeister legte er nach dem Krieg der Kasseler Entschädigungsbehörde vor, als Nachweis seiner ursprünglich intakten Gesundheit, die er erst durch die Lagerhaft und andere Verfolgungsmaßnahmen eingebüßt habe. Sein am 10. März 1958 angemeldeter Anspruch auf Entschädigung „wegen Schadens an Körper oder Gesundheit wurde am im April 1964 als „unbegründet“ abgelehnt. Der im Juni 1938 beschäftigungslos gewordene und nach Bebra zurückgekehrte Alfred Döllefeld erlebte und erlitt hier im November 1938 die antijüdischen Ausschreitungen. Konkret nennt er in seinem Entschädigungsantrag u. a. Anzüge, Wäsche, Bücher, Schreibmaschine und Leica-Fotoapparat als ihm im elterlichen Haus gestohlen oder zerstört. Außerdem sei er zur ersatzlosen Ablieferung von wertvollen Schmuck und seiner goldenen Uhr gezwungen worden.
In New York fand Alfred Döllefeld eine Anstellung in einem Malerbetrieb. In dieser Branche machte er sich dann selbstständig.