Seit 1869 besitzt die jüdische Gemeinde in Bebra einen eigenen Friedhof in der Otto-Kraffke-Straße. Bis dahin ließ sie ihre Toten auf dem jüdischen Zentralfriedhof in Rotenburg beisetzen. Am 4. August 1937 beschließen die Ratsherren die Schließung des jüdischen Friedhofs aus „gesundheitlichen Gründen". Heute ist die Stadt Eigentümer des Friedhofs. Sie ist verpflichtet, die Anlage instand zu halten, das Land Hessen zahlt der Stadt hierfür jährlich einen Pauschalbetrag.
Das Friedhofsareal umfasst 1513 qm, auf seiner Westseite ist der Friedhof von einer Lagerhalle begrenzt. Der jüdische Friedhof ist das letzte originäre dingliche Zeugnis ehemaligen jüdischen Lebens in Bebra.
Die erste Belegung fand 1870 statt, und zwar mit der Bestattung von "Handelsmann" Honas Fackenheim, der am 16. März 1870 im Alter von 78 Jahren starb
Die am 20.1.1835 in Weiterode geborene Rebecca Plaut (unverheiratete Tochter von Feist und Madel Plaut geb. Stern ist die erste weibliche Bestattete.
Salomon Abraham wurde in Iba geboren, als Sohn von Leib A. und Jettchen Oppenheim. Er starb zwei Tage vor der für den 5. Sept.1942 angeordneten Deportation über Kassel nach Theresienstadt. Mit diesem Transport wurden die letzten Juden aus Bebra deportiert, darunter auch Salomon Abrahams Ehefrau Louise geb. Jüngster, sowie Jenny, Johanna, Mathilde und Willy Oppenheim. Sie alle wurden Opfer des Holocaust. Den Grabstein für Salomon Abraham ließen höchstwahrscheinlich nach dem Krieg seine Söhne setzen, die sich vor dem Holocaust retten konnten: Ludwig, geb. 12.9.1903, Siegfried, geb. 1.10.1904, Dankmar, 8.7.1906. Die Bestattung im September 1942 muss bei Nacht und Nebel erfolgt sein, denn der Friedhof war bereits im August 1937 durch den bereits erwähnten Magistratsbeschluss aufgelassen worden.
Insgesamt konnten 101 Grabstellen lokalisiert werden.
Die Belegung erfolgte chronologisch vom hinteren rechten Friedhofsrand nach vorne in Richtung Otto-Kraffke-Straße. In der 1. Reihe (an der Lagerhalle entlang) liegen nur verstorbene Männer (mit Ausnahme der beiden mit Abstand angelegten Kindergräber am Rande zur Straße hin). Ebenso besteht die 3. Reihe und die begonnene 5. Reihe (am östöichen Gräberrand,zur Grasfläche hin) ausschließlich aus Männergräbern. Die 2. und 4. Reihe ist von Frauengräbern belegt.
Die konsequente Trennung der Grabstätten von Männern und Frauen ist für die Zeit, in der der jüdische Friedhof in Bebra belegt wurde, eher ungewöhnlich. Auf dem Rotenburger jüdischen Friedhof wurde diese Gepflogenheit bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert praktiziert, danach aber wurde chronologisch nach dem Termin des Ablebens beerdigt. Es stellt sich die Frage, ob die strenge Beibehaltung der tradtionellen Bestattungsweise der Bebraer Juden zugleich als Ausdruck einer besonders traditionellen und orthodoxen Orientierung zu verstehen ist. Für die zuverlässige Beantwortung dieser Frage fehlen aber genauere Dokumente und Überlieferungen. Die Bebraer Synagogengemeinde hatte nie einen eigenen Rabbiner, auch sonst gibt es keinerlei Anhaltspunkte für Abweichungen von den in der Region üblichen Gepflogenheiten.
Auf jedem Grabstein finden sich 2 Standardwendungen:
Am Anfang der Inschrift quasi als Titel ein "P.N." für "po nikbar" oder "po nitman", für "Hier ist begraben" oder "Hier ist verborgen".
Häufiger findet man auf den Bebraer Grabsteinen „S.K.“ ( = po tuman) als Umschreibung für "Hier ruht ...".
Am Ende steht fast immer eine hebräische Abkürzung wie "T.N.Z.B.H." für den Segenswunsch "Seine/Ihre Seele sei eingebunden im Bunde des Lebens".
Die Beisetzung auf dem Friedhof geschah äußerst schmucklos. Für den Sarg werden nur ein paar Bretter zusammengezimmert. Dadurch sollten die Hinterbliebenen nicht in Unkosten gestürzt werden.
Die Toten wurden traditionell in weißer Trauerbekleidung, einem langen weißen Hemd, in den Sarg gelegt. Denn vor Gott, so der Gedanke, sind am Ende alle gleich, ob sie reich waren oder arm.
Das am häufigsten anzutreffende Symbol ist ein mehrstrahliger Stern (neun Mal mit sechs Strahlen, zweimal mit 2 Strahlen). Der Stern steht allgemein für das Himmlische, Unerreichbare. Wahrscheinlich soll ein Stern auf dem Grabstein die Zuversicht für die kommende Wiedererweckung und Heimführung nach Israel durch den Messias, den "Sternensohn", ausdrücken.
Neben dem mehrstrahligen Stern ist die Levitenkanne (neun Mal) ein in Bebra häufig verwendetes Schmucksymbol. Die Symbolik der Wasserkanne auf dem Grabstein zeigt diesen Toten als einen Nachfahren der Leviten, der Tempeldiener aus dem Stamme Levi, die nach altem Brauch den Kohanim, den Hohepriestern bzw. deren Nachfahren, das Wasser zum Übergießen der Hände reichen, wenn diese der Gemeinde den Segen erteilen.
Das Symbol der Kohanim, die segnenden Hände, ist in Bebra nur ein einziges Mal vertreten, und zwar auf dem Grabstein von Salomon Katz. Die segnenden Hände kennzeichnen die Grabstätte dieses Toten als einen Nachfahren aus dem Priesterstamme Aarons. Die als Kohanim (verdeutscht = Katz) bezeichneten Aaroniden hatten und haben im Synagogendienst ihre feste Aufgabe: nur sie dürfen an hohen Feiertagen den Priestersegen weitergeben: "Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden." (4.Mose 6,23) Die beiden (segnenden) Hände berühren einander mit gespreiztem Daumen. Zeige- und Mittelfinger bzw. Ringfinger und kleiner Finger liegen jeweils aneinander, sodass zwischen Mittel und Ringfinger Abstände bleiben. Die so gespreizten Finger des Kohen deuten den Segensgestus an: Er hält den Segen, der von IHM kommt, nicht in geschlossenen Händen.
Der Davidstern, besser: der Davidschild, der auf vielen jüdischen Friedhöfen vor allem bei jüngeren Grabsteinen anzutreffen ist, taucht in bebra nur bei dem erst nach 1945 gesetzten Stein für den im September 1942 verstorbenen Salomon Abraham auf. Abgesehen von der für den Davidstern im Allgemeinen geltenden Bedeutung (Zeichen Davids, David als Erzvater des Messias), hat er vor allem eine magische Funktion. In neuerer Zeit wurde er als "Schild Davids" zum allgemeinen Symbol des Judentums. Das Hexagramm, der aus zwei ineinander verschachtelten Dreiecken aufgebaute Stern ist das Symbol des Zieles (das messianische Zeitalter) und zugleich des Weges dahin. Der Stern weist den Weg aus der irdischen, vergänglichen Welt in das ewige, messianische Zeitalter.
Einige Grabstätten werden durch Obeliske geschmückt. Formen und Motive der nichtjüdischen Umgebung halten im späten 19. Jahrhundert Einzug auf dem jüdischen Friedhof, sie können als Zeichen der intensiven Rezeption der bürgerlichen Kultur im assimilierten Judentum verstanden werden. Aus heutiger Sicht wäre es besser zu sagen: Diese Grabsteine sind Erinnerungsmale einer versuchten, aber letztlich gescheiterten Integration.
Hermann Lindau (als Hermann Lin in Israel lebend) 1990 auf dem jüdischen Friedhof in Bebra (zusammen mit seinem Gastgeber Erich Suck, auf dem Foto rechts)
In der Bebraer „Nacht der offenen Gotteshäuser“ gehört auch der Jüdische Friedhof zum Programmangebot, das eine beträchtliche Zahl von Interessierten findet.
Bei ihrem 1. Besuch im Mai 2004 (zusammen mit Ehemann Zvi) in Rotenburg und Bebra begann Ellen Stepak mit der Entzifferung der hebräischen Inschriften auf dem Jüdischen Friedhof in Bebra, die sie anschließend ins Englische übersetzte. Ellen Stepak ist eine Nachfahrin der Bebraer jüdischen Familie Apfel, ihre Urururgromutter ist Reisgen Werthan (geb. 1802) aus Rotenburg, die Isaak Gotthelf in Hofgeismar heiratete.