Die jüdische Gemeinde in Bebra (Ein geschichtlicher Überblick)

Die älteste verbürgte Nachricht über Juden in Bebra erfahren wir von Adam Deist in „Die Siedlungen der Bergbaulandschaft an der hessisch/thüringischen Grenze". Hier führt er u. a. Folgendes aus:
„Im Amt Rotenburg saßen 1627 zwei Juden zu Rotenburg und vier Juden zu Bebra (wohl mit ihren Frauen und Kindern); davon sind drei die Schwiegersöhne der übrigen drei, so daß sie allem Anschein nach erst in dieser Generation

 „Wisse, vor wem du stehst!“ – so lautet die halbkreisförmige Inschrift (leicht verdeckt durch das Ewige Licht) über dem Thoraschrein der 1924 umgebauten Synagoge. Der Text auf dem Vorhang nennt den Stifter und den Anlass für seine Schenkung. In der Mitte des Raumes steht das Pult (Bima bzw. Almemor) für die Thoralesungen.
eingewandert waren. Sie hatten keine Schulen und Synagogen, sondern gingen nach Wanfried und Bettenhausen bei Kassel. Ihre Toten begruben sie in Wanfried oder Jestädt bei Eschwege, wo die von Boyneburg die Juden aufgenommen hatten.“
Als sie „eine Zeitlang vor dem Sterben und Kriege naher Breittenbach geflohen sind", bleiben sie an der neu zur Bedeutung gelangten Nürnberger Poststraße.
In der „Hessischen Judenstättigkeit“ von 1744 werden 13 Familienhäupter namentlich aufgeführt, damit dürften hier 60 bis 70 Juden gewohnt haben. Es ist anzunehmen, dass von 1627 an kontinuierlich Juden in Bebra gewohnt und sich fortlaufend durch Geburten und Zuzug vermehrt haben. 1744 hießen die Familienväter: Levi, David; Hesse Salomons Witwe Gente; Itzig, David; Meyer, Jacob; Levi, Larenn; Levi, Leser (Leiser); Liebmann, Joel; Liebmann, Susmann; Levi, Meyer; Samuel, Max; Salomon, Susmann; Levi, Schlomann; Levi, Schmoll. Diese dürfen bleiben und erhalten den Schutzbrief. In Breitenbach wohnen im gleichen Jahr 20, in Iba 18, in Solz 4, in Weiterode 8 und in Rotenburg gar 108 Juden.
Der „Grundriß von der Dorfschaft Bebra 1775" zeigt uns im Detail nur eine Hälfte des Ortes und damit auch nur einen Teil der Judenhäuser mit den Namen ihrer Besitzer. So sind uns nur die in der Nürnberger Straße wohnenden Juden überliefert: Levi, Lucas; Sußmann, Aron; Sußmann, Leib; Heß, David; Sußmann, Lucas. Andere haben aber auch am Lindenplatz, An der Bebra, in der Pfarr- und Mühlenstraße sowie im Bilder gewohnt.
1835 soll es in Bebra ca. 80 Juden, in Iba 46, in Ronshausen 19 und in Weiterode 18 Juden gegeben haben. Die Juden der letzten drei Orte gehörten zur Synagogengemeinde Bebra. 1861 gibt es in Bebra 111 und im Jahr 1905 sind es 120 Juden. In dem seit 1848 durch den Eisenbahnbau wirtschaftlich aufstrebenden Ort lassen sich immer mehr Juden nieder. Aus Handelsmännern, Fell-, Getreide- und Viehhändlern werden erfogreiche Geschäftsleute.
Arbeitspferde
Außer dem Kaufhaus Joseph Oppenheim Nürnberger Straße 9 (mit obiger Werbeanzeige) gab es im Haus Nürnberger Straße 48 ein weiteres Kaufhaus gleichen Namens.

Die Pferdehändler Goldschmidt warben in den Jahren vor und nach 1900 intensiv mit Anzeigen im Rotenburger Kreisblatt. Die Goldschmidts betrieben ihren Pferdehandel bis Mitte der 1930er Jahre.
Bis Anfang der 30er Jahre liegen der Textilhandel (vertreten durch die Familien Louis, Hugo, Joseph, Leopold und Martin Oppenheim, die Familien Abraham, Levi, Emanuel und Rothfels), der Getreidehandel (Isaak Oppenheim, Willy Oppenheim, Josef Abraham, Meier Döllefeld und Isidor Fackenheim) ebenso wie der Viehhandel (Honas und Joseph Goldschmidt, Isaak Neuhaus, Isaak Katzenstein und Max Katz) fast ausschließlich in ihren Händen. Ihr Wohlstand erlaubt es ihnen, am 28. September 1924 einen neuen Synagogenbau mit ca. 100 Plätzen feierlich einzuwe ihen, wie wir den folgenden Zeilen aus dem Bebraer Tageblatt vom 18. September 1924 entnehmen können.

Einweihung der vollständig umgebauten Synagoge in der Amalienstraße am 28. September 1924 mit 74 Plätzen für die Männer und 33 Plätzen auf der Empore für die Frauen.
“Die Einweihung der neuen Synagoge. Nachdem der Bau länger als ein Jahr in Anspruch genommen hatte, konnte am vergangenen Donnerstag die hiesige neue Synagoge ihrer Bestimmung übergeben werden. Um 2.30 Uhr war die Einweihungsfeier festgesetzt, die begünstigt durch lachenden Sonnenschein einen erhebenden Verlauf nahm. Vor der Synagoge fand eine feierliche Schlußübergabe statt, die durch Frl. Herda Neuhaus mit einem Prolog eingeleitet wurde. Herr Bauunternehmer Semm übergab unter Glückwünschen im Namen der übrigen Meister das Gebäude der israelischen Gemeinde. Herr Gemeindeälteste Katz begrüßte die Erschienenen, besonders die Ehrengäste, dankte allen am Bau Beteiligten, sowie allen Spendern und stellte das Gotteshaus in den Schutz der politischen Gemeinde. Herr Bürgermeister Kraffke übernahm den Schutz und überbrachte die Glückwünsche der politischen Gemeinde. Herr Landrat Schlitt, Rotenburg, betonte in einer wirkungsvollen kurzen Ansprache das Interesse des Staates an einer solchen Feier und beglückwünschte die israelische Gemeinde zu ihrem Jubeltage. Nun öffnete Herr Lehrer Rosenbusch die Pforten und mit Andacht betrat die Menge der Besucher das Gotteshaus, das sich als ein Schmuck­kästchen von einer ganz eigenartigen weihevollen Wirkung zeigte. Die Weihepredigt hielt Herr Landrabbiner Dr. Walter, Cassel. In einer großangelegten Rede setzte er sich mit den tiefsten Problemen des Denkens auseinander, um sie in überzeugender und erhebender Weise vom Standpunkte der Religion, insbesondere des Judentums zu beantworten. Er mahnte die Gemeinde, nicht nur das Gotteshaus zu bauen, sondern sich auch darin zu erbauen und zeigte, wie das Judentum etwas Ewig-Neues ist, weil es für die Ewigkeitsgüter der Menschheit kämpft. Anschließend sprach der Redner ein Gebet für Vaterland, Staat und politische Gemeinde. Hierauf entzündete Herr Lehrer Rosenbusch mit einer ergreifenden Rede die ewige Lampe. Umrahmt wurden die Reden und gottesdienstlichen Handlungen von den Gesängen des durch Herrn Lehrer Rosenbusch eingeübten und von Herrn Lehrer Bode, Rotenburg, meisterhaft geleiteten Synagogenchores mit Orchesterbegleitung, die ganz besonders zur feierlichen Gestaltung der Einweihung beitrugen. Noch lange zitterte die tiefe Wirkung dieser Feier bei allen Teilnehmern nach, denen wohl diese Synagogenweihe unvergeßlich bleiben wird.“
Gotteshaus bleibt dieser Bau bis Anfang November 1938. In der Nacht vom 7. zum8. November werden das Innere (Bänke, Teppiche, Kultgegenstände) und Äußere (Fensterscheiben) der Synagoge von Nationalsozialisten zerstört. Die Stadt kauft kurz darauf Synagoge und Schule von dem letzten jüdischen Gemeindeältesten Levi Oppenheim, der dann nach Frankfurt/Main umzieht. Die Synagoge wird als Abstell- und Lagerraum vom städtischen Bauhof genutzt, bis sie 1972 im Zuge der Stadtkernsanierung abgerissen wird. Auf ihren ehemaligen Standort weist eine Bronzetafel am südlichen Rand des Rathausplatzes vor dem heutigen Ärztehaus hin:
„Zum Gedenken an die ehemalige Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde Bebra. Bebra im Dezember 1984 Stadt Bebra“.

Die jüdische Schule befand sich bis zu ihrer erzwungenen Aufhebung am 1. Mai 1933 in der Pfarrstraße 9 (rechtes Gebäude auf dem Foto). Männy Rosenbusch (Porträtfoto), der letzte jüdische Lehrer, verließ den Ort im April 1935, ihm gelang die Ausreise nach USA. Schon zu Beginn des 19. Jh. gab es in Bebra eine feste jüdischen Lehrerstelle.

Die jüdische Volksschule in Bebra ist seit 1868 mit 18 Schülern nachweisbar. Als sie am 1. April 1933 ??) aufgelöst wird, zählt sie noch vier Kinder. Der damalige Lehrer Männy Rosenbusch wird pensioniert. Er zieht mit Frau und Sohn 1935 nach Worms, einer der ältesten Judengemeinden in Deutschland. Dann wandert er in die USA aus, wo er 1966 stirbt. Das Schulgebäude mit dem rituellen Tauchbad in der Pfarrstraße wird von Bäckermeister Martin Dietz gekauft und abgerissen. Auf dem Grundstück lässt er ein Wohnhaus bauen. Seit 1869 besitzt die jüdische Gemeinde in Bebra einen eigenen Friedhof in der Otto-Kraffke-Straße. Bis dahin Ließ sie ihre Toten auf dem jüdischen Zentralfriedhof in Rotenburg beisetzen. Am 4. August 1937 beschließen die Ratsherren die Schließung des hiesigen Friedhofes aus „gesundheitlichen Gründen". Heute ist die Stadt Eigentümer des Friedhofes. Sie ist verpflichtet, die Anlage instand zu halten, die Kosten trägt die Landeskasse.
Von Anfang an sind die Juden in Bebra wohnmäßig im Ort integriert. Es gibt für sie kein eigenes Wohnviertel, vielmehr wohnen sie neben Christen und leben unter ihnen.
Der Vaterländische Frauenverein Bebra hält seine Generalversamm­lungen im Saal Fackenheim in der Sophienstraße ab, die jüdischen Frauen Oppenheim, Fackenheim und Katz sind auch Mitglieder eben dieses Vereins. Die beiden letzteren erhalten für ihre Tätigkeiten und für ihren Einsatz während des Krieges 1914/18 die Rot-Kreuz-Medaille. Die jüdischen jungen Männer unterziehen nehmen von Kriegsbeginn im August 1914 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges an diesem teil: Arnold, Fritz, Martin, Moritz, Hugo und Theodor Oppenheim; Meier, Salomon und Siegfried Abraham; Moses und Salomon Levi; Meier Döllefeld; Walter Katz; Julius, Sally und Leopold Rothfels; Sally Lindau und Gutman Rülf. Einige von ihnen erreichen den Dienstgrad eines Unteroffiziers bzw. Sergeanten. Die in Bebra geborenen Ärzte Dr. med. Oppenheim; Dr. med. Fackenheim und Dr. med. Albert Levi leisten ihren Kriegsdienst als Sanitätsärzte ab. Isidor Sommer und Siegfried Wertheim werden schon im Herbst 1914 schwer verwundet. Die Gebrüder Sally und Leopold Rothfels; Martin, Arnold und Moritz Oppenheim, Sally Lindau und Albert Apfel sehen die Heimat nicht wieder, sie sterben als Frontsoldaten.

Die Firma S(alomon) Katz (Nürnberger Str. 28) startete mit Lederwaren und Schuhmacherbedarfsartikeln, erweiterte aber um 1900 ihr Sortiment durch Klaviere, Fahrräder etc., dazu kam eine Tankstelle. Diese (typische) Anpassung an die Bedürfnisse der Kundschaft kann als eines der Erfolgsrezepte jüdischer Händler gesehen werden.



Im nachfolgenden Jahrzehnt müssen die Bebraer Juden wie überall im Deutschen Reich den Aufstieg der NSDAP erleben, unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme am 30. Januar 1933 werden sie ins Hotel Kilian zitiert, wo sie eine schriftliche Erklärung abgeben müssen, dass sie die „Hetze ihrer Rassegenossen im Ausland“ verurteilen und dass ihnen „kein Haar gekrümmt“ wurde.
Mit Hitlers Machtantritt waren für die jüdische Bevölkerung jegliche Illusionen für eine hoffnungsvolle Zukunft in Deutschland zerstört. Ab Januar 1933 sehen sich die deutschen Juden einer ständigen Verfolgungs- und Vertreibungspolitik ausgesetzt. Es scheint notwendig, hier auf einige NS-Gesetze hinzuweisen, deren Inhalt den Juden bewusst werden lässt, in welche Bedrängnisse und Nöte man sie hineinmanövriert hatte.
Am Anfang steht das am 23. 3. 1933 im Reichstag verabschiedete „Ermächtigungsgesetz". Hierdurch erhält Hitler u. a. auch einen Blankoscheck für gezielte antijüdische Maßnahmen. Diesem Gesetz folgte schon acht Tage später der von der NSDAP organisierte „Judenboykott", der sich gegen jüdische Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte richtet. Durch Eingreifen des damaligen Reichspräsidenten von Hindenburg bleiben zunächst die jüdischen Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges von den Folgen dieses Gesetzes verschont. Dies trifft zunächst auf die Mehrzahl der Bebraer Geschäftsjuden zu. Dennoch ist dieser Boykott auch in Bebra als der Beginn zu betrachten, den heimischen Juden den wirtschaftlichen Boden unter den Füßen zu entziehen.
Einschneidender sind die Auswirkungen des am 7. 4. 1933 erlassenen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums". Es verbietet Nichtariern, also den Juden, diese Berufsausübung. Nach den auf dem Nürnberger Reichsparteitag am 15. September 1935 erlassenen „Nürnberger Gesetzen" sind alle Juden keine Reichsbürger mehr. Nach dieser Verkündigung haben sicher die ersten jüdischen Mitbürger auch Bebra verlassen.
In der Nacht vom 7. zum 8. November, deren Auslösung, Verlauf und Folgen vielfach dargestellt worden sind, werden in Bebra die Synagoge und die Schule zerstört sowie jüdische Wohnungen und Geschäfte zertrümmert.
„Aus dem schon erwähnten Bericht des Bürgermeisters geht hervor, dass die aus Bebra geflüchteten männlichen Juden, soviel hier bekannt geworden ist, aufgegriffen und dem Konzentrationslager Buchenwald b. Weimar zugeführt worden sind".
Das geht aus einem Schreiben der Staatspolizeistelle Kassel an den Bürgermeister hervor. Darin werden die Angehörigen der über 60 Jahre alten Juden aufgefordert, das Rückreisegeld von Weimar nach Bebra sofort telegrafisch an die Kommandantur des KZ Buchenwald zu senden, da diese Personengruppe aus dem Lager entlassen werden solle. Wann die anderen jüdischen Mitbürger entlassen wurden, war nicht in Erfahrung zu bringen.“
Laut Bürgermeisterbericht kehrten die jüdischen Familien nach dem Pogrom zum Teil wieder nach Bebra zurück, um ihre Gebäude und Wohnungen instand setzen zu lassen bzw. den Verkauf an deutschblütige Volksgenossen zu tätigen. Er ging davon aus, dass sämtliche Häuser veräußert würden und „Bebra in nicht allzu langer Zeit judenfrei“ sein werde."
Die Bebraer Synagoge in der Amalienstraße - im September 1924 feierlich eingeweiht, 14 Jahre später, im November 1938, zerstört.
Die bei den Novemberpogromen 1938 geschändete und verwüstete Synagoge diente nach dem Krieg als städtischer Lagerraum, ehe sie in den 1980er Jahren bei der Stadtsanierung abgerissen wurde.

Auch die Stadtväter sind interessiert, Häuser der Juden, vornehmlich die in der Nürnberger Straße, käuflich zu erwerben, „um das Stadtbild zu bereinigen". Doch bei dem Interesse bleibt es vorerst.
In einem Wettbewerbsbeitrag der Klasse G 10 a der Brüder-Grimm-Schule zu Bebra („Vor 50 Jahren: Reichskristallnacht-Spurensuche zum Judenpogrom in Bebra") vom Oktober entnehmen wir hierzu Folgendes an Einzelheiten:
„Die lokale SA zog gegen 24 Uhr durch die Straßen der Stadt und demolierte die Wohn- und Geschäftshäuser der Juden, indem sie Türen. Fenster, Schaufenster, Fensterläden und Inneneinrichtungen zerstörte. Außerdem wurden Warenbestände aus Geschäften auf die Straße geworfen, es kam zu Plünderungen bzw. Diebstählen.“
Die Inneneinrichtungen der Synagoge und der jüdischen Schule wurden vollkommen vernichtet. Angezündet wurde die Synagoge nicht, da sie direkt an Häuser nichtjüdischer Bewohner angrenzte. Jüdische Kultgegenstände wurden entweiht. Nach Augenzeugenbe­richten wurde die Thorarolle von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde unter den Trümmern in der Synagoge geborgen.
Aus dem Bericht des Bürgermeisters Schwichtenberg an den Landrat des Kreises Rotenburg geht hervor, dass Misshandlungen und Körperverletzungen nicht erfolgt sind.
In der Nacht vom 9. zum 10. November kam es zu erneuten Ausschreitungen. Dabei wurden die schon in der Nacht vom 7. zum 8. November beschädigten Möbel und sonstige Sachen aus den Wohnungen geholt, auf den Adolf-Hitler-Platz geschleppt und dort verbrannt. Auch wurden jüdische Bürger aus ihren Wohnungen geholt und einem sogenannten „parteiamtlichen Verhör" unterzogen. Der materielle Schaden dieser beiden Zerstörungsaktionen wird von Bürgermeister Schwichtenberg auf ca. 120.000,— RM geschätzt, der Wert der bei den Juden sichergestellten Waren betrug etwa 60.000,— RM. Die Renovierungskosten mußten die jüdischen Bewohner selber tragen."
Vom 1. Januar 1939 an darf kein Jude ein Handwerk oder Geschäft mehr betreiben, kein Grundstück mehr erwerben. Ihr Vermögen haben die Juden anzugeben.
Ein Höhepunkt in der Diskriminierung und Drangsalierung der jüdischen Bevölkerung ist die Einführung des Judensterns am 9. Januar 1941. Vom 6. Lebensjahr an müssen die Juden ihn in der Öffentlichkeit tragen. Gleichzeitig dürfen sie ohne Genehmigung ihren Wohnort nicht verlassen. Im gleichen Jahr wird den Juden, die sich im Ausland aufhalten, die Staatsbürgerschaft entzogen. Damit verfällt auch ihr Vermögen dem Reich.
Einer der letzten Juden, die Bebra verlassen konnten, war Levi Oppenheim, der als Gemeindeältester der jüdischen Gemeinde Bebras noch die Kaufverträge über die Synagoge, die Schule und den Friedhof mit der Stadt abgeschlossen hat. Darauf begibt er sich nach Frankfurt/Main, von wo aus ihm die Flucht aus Hitlers Machtbereich gelingt – im Gegensatz zu 63 jüdischen Holocaustopfern, die in Bebra lebten oder von dort stammten.
1973 war es der damalige Bürgermeister A. W. Mende, der die Verbindung mit Israel aufnahm. am 4. Mai 1973 in der Sonderbeilage der einzigen deutschsprachigen Zeitung in Israel, den „Neuesten Nachrichten“, eine Anzeige schaltete.

Hermann Lin(dau), geb. 1913 in Bebra, zusammen mit seiner Frau beim Besuch der Gräber seiner Vorfahren in den 1980er Jahren. Er verließ Bebra schon vor 1933 und überlebte den Holocaust.
Brieflich meldeten sich daraufhin die ehemaligen Bebraner Hermann Lindau (ehemals Mühlenstraße), Dr. Traudel Süßkind, geb. Levi (ehemals Apothekenstraße, jetzt Jerusalem), Rudy Oppenheim (inzwischen in Haifa) und Ernst Schuster aus den USA. Einschließlich 1973 kam Hermann Lindau (inzwischen Lin) dreimal nach Bebra. Frau Dr. Süßkind besuchte Bebra im Jahr 1973. Im gleichen Jahr 1973 wurde auf dem Zionsberg bei Jerusalem eine Gedenktafel eingeweiht, die von ehemals in Bebra geborenen Juden, die jetzt (1973) noch in Israel und im Ausland lebten, gestiftet hatten:
„Zum ewigen Andenken der Heiligen der Gemeinde Bebra, Deutschland, die umgekommen sind in den Jahren der Vernichtung. Sie mögen in Frieden ruh’n.“
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Dann folgen (in hebräischer Schrift) die Namen von 11 Opfern des Holocaust aus Bebra: Julchen Abraham geb. Weihermann, Johanna Oppenheim geb. Abraham, Cläre Oppenheim geb. Lichtenstein, Egon Oppenheim, Ruth Neuhaus, Willi Oppenheim, Mathilde Oppenheim geb. Weinberg, Röschen Oppenheim, Manfred Emanuel&Martha geb. Oppenheim. Zum damaligen Zeitpunkt war den Initiatoren noch nicht bekannt, dass es über 60 Holocaustopfer waren, die aus Bebra kamen oder von dort stammten. Auch im Tal der (zerstörten) Gemeinden der Gedenkstätte Yd Vashem auf dem Herzlberg in Jerusalem ist die Synagogengemeinde Bebra vertreten – in unmittelbarer Nachbarschaft zu Rotenburg und Hersfeld:

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Aus Australien schickte uns Johanna Oppenheim, die Tochter des im Sommer 1939 nach dort geflüchteten Leo(pold) Oppenheim (bis dahin Pfarrstarße 21), eine von Levi Oppenheim, dem letzten Synagogenältesten ausgestellte Bescheinigung, die das Siegel der Bebraer jüdischen Gemeinde zeigt.

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Nur knapp anderthalb Jahrzehnte war es den Bebraer Juden vergönnt, das im September 1924 mit großen Erwartungen eingeweihte Gotteshaus zu nutzen, das sie an der Stelle des Vorgängerbaus in der Amalienstraße hatten errichten lassen.