Im Tagesbericht der Geheimen
Staatspolizei (Gestapo) Kassel vom
12. 08.1935 steht der folgende
Eintrag:
„In Bebra, Kreis Rotenburg, fand
am 6. ds. Mts. eine Demonstration
der Bewegung und ihrer
Gliederungen gegen den
Erbhofbauern Adam Bartholomäus,
wohnhaft in Bebra, statt, weil
Bartholomäus mit einem jüdischen
Viehhändler am vorhergehenden
Sonntag während der Kirchzeit
gehandelt hat. Bartholomäus und
der jüdische Viehhändler, dessen
Schwiegersohn und Ehefrau
wurden aus ihren Wohnungen
geholt und mußten Transparente
mit entsprechenden Aufschriften
unter Vorantritt einer SA-Kapelle
durch die Stadt tragen. Zu
irgendwelchen Zwischenfällen ist
es nicht gekommen.“
Über das Bebraer Geschehen am 6.
August 1935 berichtete das
Rotenburger Tageblatt wie folgt:
„Am Dienstag abend
demonstrierten die Volksgenossen
von Bebra gegen die in letzter
Zeit überhand genommenen
Dreistigkeiten der Juden und der
sich in ihrer Hörigkeit befindlichen
Volksschädlinge. Eine
beträchtliche Menschenmenge
hatte sich am Adolf-Hitlerplatz
versammelt und zog unter
Vorantritt einer Musikkapelle durch
die Straßen. (...) Der Bauer hatte
sich nicht gescheut, am Sonntag
vormittag während der Kirchzeit
mit dem Juden Handel zu treiben.
Die empörte Volksmenge brachte
ihre Erregung hierüber nun am
Dienstag abend demonstrativ zum
Ausdruck. In mitgeführten
Transparenten wurden die immer
noch mit Juden paktierenden
Volksschädlinge zum letzten Mal
eindringlich gewarnt. Der Abend
hat gezeigt, daß man Mittel und
Wege findet, endlich solchem
schändlichen Treiben das
Handwerk zu legen. Der
Demonstrationszug verlief ohne
jeden Zwischenfall in
vollkommener Disziplin und
Ordnung.“
Durch die Straßen Bebras am 6. August 1935
Ein Bebraer Landwirt (Jahrgang 1939) erinnert sich
an eine Schilderung der Vorgänge vom 6. August
1935 durch seinen Vater. Dieser Schilderung zufolge
war der Bauer Adam Bartholomäus an einem
sonntäglichen Handel im eigentlichen Sinne gar nicht
beteiligt:
„Der Jude Louis Goldschmidt in der Mühlenstraße hatte
einen Pferdehandel. Nun hatte der Bauer Adam
Bartholomäus in der Kasseler Straße (Nähe Hessischer
Hof) ein krankes Pferd, das konnte er nicht einsetzen.
Da hat er sich von Louis Goldschmidt ein Pferd geliehen.
Jetzt kam aber zu dem ein Kunde, der wollte das Pferd
kaufen. Vorher wollte er sich das Pferd natürlich
ansehen, man kauft nicht so einfach ein Pferd.
Der Bauer Bartholomäus hatte vier Pferde, das war
damals schon ein größerer Hof. Als der Louis
Goldschmidt mit seinem Kunden auf den Hof kommt,
da guckt der Bartholomäus aus dem Küchenfenster und
ruft: „Das Erste dort, das ist es.“
Das Ganze hat jemand beobachtet, der auch in der
Kasseler Straße wohnte. Aus seinem Hinterfenster
konnten der da hingucken. Der hat dann gesagt: „Der
Bartholomäus, der hat am Sonntagmorgen während
der Kirche mit Juden gehandelt.“ Das war ja gar nicht
so, der Bartholomäus hat nur gerufen: „Da ist das
Pferd!“
Der Bartholomäus hat dann zu den Leuten gesagt: „Ich
hab’ doch nichts Böses getan. Ich hab doch nur
gerufen: „Da und da steht das Pferd!“
Und dann haben sie ihn durch Bebra geführt.
Projekt: Vor aller Augen in Bebra und Umgebung