Zum Parkplatz hin, oberhalb der 2. Etage des Hauses Untertor 2, befindet sich ein sog. ”Schabbesbalken”. Die Juden hatten nach Abriss des Untertors die Genehmigung erhalten, dieses durch eine symbolische Stadtbegrenzung (”Eruv”) zu ersetzen: eine über die Straße schwenkbare Latte. Während des Schabbes/ Sabbat, des Ruhetages von Freitag- bis Samstagabend, durften sich die Rotenburger Juden - gemäß ihren Religionsgesetzen - nicht mehr als 1200 Meter von der so markierten Stadtgrenze entfernen.

Untertor 5 / Borngasse

Auf dem gegenüberliegenden Gartengrundstück an der Einmündung der Borngasse in die Untertorstraße (vor dem Haus Untertor 5) stand ab 1935 diese antijüdische Hetztafel. Mit der Bildunterschrift "Aufklärungstafel in Rotenburg/Fulda" wurde sie in der ersten Dezemberausgabe in dem NS-Hetzblatt "Der Stürmer" abgebildet. Auch das Foto einer weiteren "Aufklärungstafel" (neben dem Gasthof Engel in der Poststraße aufgestellt: vgl. Nr. 16 des Stadtrundgangs) lag dem "Stürmer" zum Abdruck vor, wie wir bei einem Besuch im Stürmerarchiv in Nürnberg feststellten.


Nicht nur in Rotenburg an der Fulda gab es solche Tafeln, wie Kurt Rehs aus Bebra zu berichten weiß. Sie gehörten in der Region zum Ortsbild und die handwerklich aufwendige Umsetzung zeugt vom Grad des antisemitischen Engagements.

Im Laufe der Jahrhunderte kam es bei uns immer wieder zu antijüdischen Aktionen von überregionaler Bedeutung. Das gilt auch für die Jahre nach 1933. Das NS-Hetzblatt "Der Stürmer" veröffentlichte 1938 neben der Rotenburger "Mahntafel" am Stadteingang ein weiteres Beispiel aus unserem Raum: mit der Bildunterschrift "In Baumbach (Hessen) wird durch Mahntafeln für Aufklärung gesorgt" wurde ein am Ortseingang (von Rotenburg her) aufgestelltes Machwerk gezeigt, auf dem es hieß: "So raubt der Jud das letzte Stück/ Und Armut, Elend bleibt zurück".
Die "Kunstwerke" waren im benachbarten Bebra hergestellt worden, so erklärt sich auch der massive Einsatz in unserer Region. Über die Arbeit der Bebraer Werkstatt sind wir durch eine entsprechende amtliche Mitteilung des Hersfelder Landrats vom 6. Mai 1936 an die Geheime Staatspolizei (Gestapo) in Kassel informiert. Das "Bebraer Tageblatt" vom 9. 11. 1938 berichtet von der "Arbeitsgemeinschaft Holzschnitzen", die ihre Tätigkeit jeweils Mittwochabend im Rahmen der BDM-Organisation "Glaube und Schönheit" unter Anleitung eines Drechslermeisters verrichtete. Mit Rücksicht auf die 1936 in Berlin stattfindenden Olympischen Spiele erging am 13. Februar 1936 Anweisung an die lokalen Behörden, die im Straßenbild sichtbaren Diskriminierungen zu entfernen. "Bis zum 1. 5. 36 ist zu berichten, dass die Verfügung in allen Orten Beachtung gefunden hat und in Frage stehende Judenschilder entfernt oder geändert werden", heißt es in der Rundverfügung der Preußischen Geheimen Staatspolizei.