Über Jahrzehnte hin befand sich hier ein jüdisches Ladengeschäft, dessen letzter Inhaber, Adolf Speier, auch durch das im Ersten Weltkrieg erworbene Eiserne Kreuz nicht vor seiner Ermordung in Auschwitz am 16. Oktober 1944 bewahrt wurde. Im November 1938 flüchtete die Familie zu Verwandten in Hersfeld, um dem gegen sie gerichteten Naziterror zu entgehen.

Das Foto oben zeigt den Weltkriegssoldaten Adolf Speier als Musketier im 83. Infanterie-Regiment.
Adolf Speiers Bruder Isidor fiel am 23. Juni 1916 als Soldat im Reserve-Jägerbataillon 16. Für seine Rotenburger Turnbrüder war er den „Heldentod fürs Vaterland“ gestorben (Todesanzeige im Rotenburger Tageblatt). Sein Bild findet sich ebenso wie das von fünf anderen jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf der Gedenktafel, welche die Stadt Rotenburg anfertigen ließ.



In den ersten Nachkriegsjahren kehrten ehemalige jüdische Einwohner Rotenburgs nur vereinzelt für einen Besuch in ihre frühere Heimat zurück. Diese Aufenthalte verliefen über einen langen Zeitraum hin stets privat, in aller Stille und galten meist den Gräbern auf dem jüdischen Friedhof. Wir sehen hier Ilse Speier mit ihrem Cousin beim Besuch des jüdischen Friedhofs in Rotenburg. Auf dem Bild darunter ist die gleiche Ilse Speier im Jahre 1937 am Tag ihrer Einschulung zu sehen.


Nach Spuren ihrer Vorfahren suchten Ilse Speier (neuer Name nach ihrer Flucht aus Deutschland: Judith Epstein) und Manfred Oppenheim (jetzt Moshe Naveh), dessen Großvater, (Hof-)Schlossermeister Moses Gans auf dem Jüdischen Friedhof in Rotenburg begraben liegt.

 


Trotz anderer Religion unterschieden sich die jüdischen Mitbürger in ihren Sitten und Gebräuchen in vielen Lebensbereichen kaum von den Menschen in ihrer Umgebung - wie das Foto von Ilse Speier (Jahrgang 1932) als Schulanfängerin mit prall gefüllter Zuckertüte veranschaulicht, das sie bei ihrem Besuch in ihrer Heimatstadt Rotenburg 1992 mitbrachte.

 

Breitenstraße 14

Neben dem ehemaligen Haus Speier, in der Breitenstraße 14, wo jetzt das Ihr-Platz-Geschäft steht, betrieb Joseph Werthan bis 1908 ein Ladengeschäft mit einer breiten Angebotspalette, wie die diversen Geschäftsanzeigen erkennen lassen.

weitere Geschäftsanzeigen von Joseph Werthan im Rotenburger Kreisblatt
( 1871-1906 )

Joseph Werthan war nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern spielte auch im öffentlichen Leben der Stadt eine wichtige Rolle. 1893 als außerordentliches Mitglied und 1895 dann für die 2. Wählerklasse als ständiges Mitglied in das Rotenburger Stadtparlament gewählt, dem er bis zum Ende des Kaiserreichs angehörte. Am 31. Oktober 1901 wählten ihn die Gewerbetreibenden des Kreises Rotenburg zum Steuerausschussmitglied.