Erstmals
seit dem Mittelalter war im Jahre 1819 die jüdische Bevölkerung nicht
nur einzelner Orte Verfolgungen ausgesetzt, begleitet von dem Spott- und Hetzruf
Hepp-Hepp als gemeinsamem Losungswort. Der Ablauf war überall
ähnlich: Fensterscheiben wurden eingeworfen, Läden geplündert,
Brände gelegt, hier und dort auch Synagogen verwüstet und Juden auf
offener Straße mißhandelt. In der ersten Oktoberhälfte 1819
zeigten sich an mehreren Orten Kurhessens Spuren anti-jüdischer Umtriebe,
die einen allgemeinen Ausbruch der Judenverfolgung zu einem heimlich verabredeten
Termin befürchten ließen. Ein Kaufmann aus Rotenburg erzählte
im thüringischen Vacha, am 18. Oktober 1819, dem Jahrestag der Niederlage
Napoleons, sollten die Juden geplündert und verjagt werden. Tatsächlich
fand man in Rotenburg um den 10.10.1819 am Rathaus eine Bekanntmachung
angeschlagen, die den Juden eine Galgenfrist (von acht Tagen?) zum
Verlassen der Stadt setzte. Auf heimlich ausgestreuten Zetteln war zu lesen:
Den 18ten October wird hep, hep! gegeben, der Schauplatz ist in allen
Straßen.
Neuere Erklärungsversuche deuten die Ausschreitungen gegen Juden in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Ersatzhandlung: die eigentlich gemeinten
Objekte seien die Repräsentanten der etablierten Ordnung gewesen, die aber
aufgrund der ungleichen Kräfteverhältnisse dem aggressiven Protest
entzogen waren. Es ging aber neben Protest gegen Not und Teuerung, der sich
in Aggression gegen Juden ein Ventil suchte, in erheblichem Maße auch
darum, die bürgerliche Gleichstellung der Juden aufzuhalten bzw. rückgängig
zu machen. Vielerorts war eine Komplizenschaft zwischen der Obrigkeit und dem
gewalttätigen Mob sichtbar: Polizei und Bürgergarde hielten sich deutlich
zurück und griffen häufig erst ein, wenn der Mob sich ausgetobt hatte.
Nicht selten waren Angehörige der höheren Stände
für die Inszenierung der Ausschreitungen verantwortlich.