Das erste Auftreten des Antisemiten
Ludwig Werner 1892

Nachdem es bereits im Herbst 1892 in einer Reihe von Gemeinden und in den Kreissstädten Hersfeld und Rotenburg zu antisemitischen “Volksversammlungen” mit den gemeinsam auftretenden Reichstagsabgeordneten Ludwig Werner und Dr. Böckel gekommen war, erklärten die Antisemiten unmittelbar nach der Reichstagsauflösung den Wahlkreis Hersfeld-Hünfeld-Rotenburg für "sturmreif", wie in der Hersfelder Zeitung vom 8. 11. 1892 zu lesen war. Am 7. Mai 1893 eröffneten die Antisemiten dann in Schenklengsfeld den Wahlkampf. Als Kandidaten präsentierten sie den Kasseler Redakteur Ludwig Werner, der 1855 als Sohn eines Gutspächters auf Hof Bubenrode, Kreis Homberg, geboren war und in Hersfeld eine kaufmännische Lehre absolviert hatte. Werner hatte den Kasseler Reformverein mitbegründet, dessen Vorsitzender er lange Jahre blieb. Unter dem Motto "Die Judenfrage ist die soziale Frage" redigierte er ab 1. 7. 1882 die von ihm selbst herausgegebene Wochenzeitung Reichsgeldmonopol, die 1892 bis 1895 unter dem Titel Antisemitisches Volksblatt, 1896 bis 1899 als Hessischer Volksbote erschien. Als Redakteur beschäftigte sich Werner fast ausschließlich mit wirtschaftlichen Mißständen und betrachtete die “Judenfrage” hauptsächlich als ein wirtschaftliches Problem. Mit jüdischen Anekdoten und reißerisch aufgemachten Wuchergeschichten fand das Wochenblatt in Nord- und Oberhessen einen beträchtlichen Leserkreis. Bis 1884 unterstützten Werner und seine Zeitung die Konservativen. 1886 kam es zwischen ihm und dem radikalen Antisemiten Dr. Böckel zu einer scharfen Kontroverse, die Böckels Ausscheiden aus dem Kasseler Reformverein und ein längeres Zerwürfnis zwischen den beiden damals führenden kurhessischen Antisemiten zur Folge hatte. Werner bekannte sich zu der von Liebermann von Sonnenberg geführten konservativ-antisemitischen "Deutsch-Sozialen Partei". Nach seiner Wahl in den Reichstag im Jahre 1890 in Rinteln-Hofgeismar-Wolfhagen aber schloß sich Werner mit den radikalen Antisemiten Böckel, Zimmermann und Pickenbach zur "Fraktion der Antisemiten" zusammen, die im gleichen Jahr in Erfurt die radikale Antisemitische Volkspartei gründete.
  1
Antisemitismus mit dem Stimmzettel 1893 - 1932:
Teil I
- Antisemitische Wahlagitation im Kaiserreich -
   
Ludwig Werner
(1855-1923)Abgeordneter für den Wahlkreis Hersfeld-Hünfeld-Rotenburg
1893-1918
 
 
       
  Menü Vor