Der Bund Oberland
Der Einmarsch französischer und belgischer Truppen ins Ruhrgebiet im Januar 1923 und der sich anschließende passive Widerstand der Bevölkerung des betroffenen Gebietes war für die völkischen Gruppen und geheimen Wehrverbände in vielen Teilen des Reiches das Signal zu erhöhter Aktivität. In paramilitärischen Formationen zogen seit Ende Januar 1923 Kolonnen mit vornehmlich ehemaligen Frontsoldaten und Studenten aus den besetzten Gebieten hinter schwarz-weiß-roten Fahnen und unter Absingen nationalistischer Lieder durch die hessischen Landkreise. Die Anführer gaben sich als Hitler-Anhänger aus, die auf dem Weg nach München begriffen seien. Vielfach kam es zu Kontakten mit lokalen republikfeindlichen Gruppen. In diesen Zusammenhang ist auch die Entstehung des Bundes Oberland einzuordnen, dessen erste kurhessische Ortsgruppe Ende Juli 1923 in Schenklengsfeld (Kreis Hersfeld) von 26 Personen gegründet wurde. Initiator war der aus Mittelfranken stammende Gutsverwalter Seiler (Oberlengsfeld), Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Bundes, der von der Bundesleitung in München mit dem Aufbau von Ortsgruppen in Kurhessen und Waldeck beauftragt war. Wenige Wochen danach wurde der damalige Landwirtschaftspraktikant Walter Seidler zu seinem Nachfolger berufen, ein ehemaliger Oberleutnant aus Landershausen bei Schenklengsfeld. Seidler kam 1930 als NSDAP-Abgeordneter in den Reichstag. Im August 1923 bildeten sich weitere Ortsgruppen des Bundes Oberland in den benachbarten Gemeinden Friedewald und Hillartshausen. Die drei Ortsgruppen mit ihren insgesamt 50 Mitgliedern wurden organisatorisch zur Bezirksgruppe Schenklengsfeld zusammengefaßt, der auch Bewohner der übrigen Gemeinden des Landecker Amtes angehörten. Mitglieder des Bundes waren in erster Linie junge Bauernsöhne, daneben Kaufleute und Angestellte. Die Führung lag in den Händen von Personen, die in der Landwirtschaft tätig waren.
Der Bund Oberland war im November 1921 in München von ehemaligen Angehörigen des aufgelösten Freikorps Oberland gegründet worden. Das Programm des Bundes stimmte bis zum Verbot (Ende 1923) weitgehend mit dem der NSDAP überein. Im September 1923 unterstellte sich dann der Bund auf dem "Deutschen Tag" in Nürnberg durch den Eintritt in den "Deutschen Kampfbund" auch formal der politischen Führung Adolf Hitlers. Der Bund Oberland betrachtete sich als ausgesprochener Kampfverband, der nicht nur politische Auseinandersetzungen zu führen habe, und bejahte militärische Kampfhandlungen zur Verwirklichung seiner Ziele. In einigen Fällen bestand im Kreis Hersfeld Personalunion zwischen dem Jungdeutschen Orden und dem Bund Oberland. Der Jungdeutsche Orden mißbilligte nach eigener Darstellung die gewalttätigen Bestrebungen Oberlands, hielt aber mit den Gruppen im Landecker Amt "gewisse Fühlung, um gegebenenfalls Unbesonnenheiten verhindern zu können", wie man dem Landrat auf dessen Nachfrage hin erklärte. Im Anschluß an eine Versammlung des Bundes Oberland am 30. 9. 1923 in Schenklengsfeld kam es zu Ausschreitungen gegen dort ansässige jüdische Bürger.
Wegen aktiver Beteiligung an dem Hitler-Putsch vom 9. 11. 23 in München wurde der Bund Oberland zusammen mit der NSDAP verboten.
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