September Oktober 2003

Rhina ist ein kleines unscheinbares Dörfchen, knapp 15 km südlich von Bad Hersfeld. Doch noch vor gut 100 Jahren war es etwas sehr Besonders: Nirgends sonst im damaligen Preußen gab es einen Ort, in dem die Juden die Mehrheit der Bevölkerung stellten. Am 1. Dezember 1875 wurden in dem Dorf 337 Juden und nur 263 Christen gezählt.
Aber ebenso wie andernorts gab es auch in Rhina Einschränkungen für Juden, wie spezielle Wege, die sie für den Viehtrieb und für Handelsreisen benutzen mußten. Noch heute trägt deshalb ein alter knorriger Baum, der an einem dieser Pfade aufragt, im Volksmund den Namen "Judeneiche".
Um die Geschichte der Rhinaer Juden aufzubereiten und vor allem jungen Menschen nahezubringen, wählte die Arbeitsgruppe Spurensuche der Jacob-Grimm-Gesamtschule in Rotenburg die Perspektive dieser Eiche. "Die Idee war, die Geschichte des Baumes zu erzählen", erklärt eine der Schülerinnen. "Die Tagebuchform hat uns erlaubt, eigene Gedanken mit hineinzubringen und damit eine gewisse dichterische Freiheit zu haben." Das heißt: Wenn die Eiche von Gesprächen berichtet, die sie unter ihrer Krone belauscht hat, mag das frei erfunden sein. Was sie dabei aufgeschnappt hat, ist jedoch historisch belegt - ob es nun um den Bau der Synagoge geht, um die gerade in dieser Region besonders heftigen antijüdischen Pogrome während der 1848er Revolution oder um das gewaltsame Ende der jüdischen Gemeinde im Jahr 1939. Im vergangenen Jahr gewann die AG Spurensuche mit dieser Arbeit den ersten Preis im Wettbewerb der Hessischen Akademie Ländlicher Raum. Das Werk ist nun als Buch erschienen sowie im Internet unter www.ag-spurensuche. de zu finden.