Gedanken
eines Baumes
Schülerprojekt zu einem Dorf in Hessen
Rhina
ist ein kleines unscheinbares Dörfchen, knapp fünfzehn
Kilometer südlich von Bad Hersfeld. Doch noch vor gut hundert
Jahren war es etwas sehr Besonderes: Nirgends sonst im damaligen
Preußen gab es einen Ort, in dem die Juden die Mehrheit der
Bevölkerung stellten. Am 1. Dezember 1875 wurden in dem Dorf
337 Juden und nur 263 Christen gezählt.
Aber ebenso wie andernorts gab es auch in Rhina Einschränkungen
für Juden, wie spezielle Wege, die sei für den Viehtrieb
und für Handelsreisen benutzen mußten. Noch heute trägt
deshalb ein alter knorriger Baum, der an einem dieser Pfade aufragt,
im Volksmund den Namen „Judeneiche".
Um die Geschichte der Rhinaer Juden aufzubereiten und vor allem
jungen Menschen nahezubringen, wählte die Arbeitsgruppe Spurensuche
der Jacob-Grimm-Ge-samtschule in Rotenburg die Perspektive dieser
Eiche. „Die Idee war, die Geschichte des Baumes zu erzählen",
erklärt die achtzehnjährige Julia Sangmeister. „Die
Tagebuchform hat uns erlaubt, eigene Gedanken mit hineinzubringen
und damit eine gewisse dichterische Freiheit zu haben." Das
heißt: Wenn die Eiche von Gesprächen berichtet, die sie
unter ihrer Krone belauscht hat, mag das frei erfunden sein. Was
sie dabei aufgeschnappt hat, ist jedoch historisch belegt - ob es
nun um den Bau der Synagoge geht, um die gerade in dieser Region
besonders heftigen antijüdischen Pogrome während der 1848er-Revolution
oder um das gewaltsame Ende der Jüdischen Gemeinde im Jahre
1939.
Im
vergangenen Jahr gewann die AG Spurensuche mit dieser Arbeit den
ersten Preis im Wettbewerb der Hessischen Akademie Ländlicher
Raum. Das Werk ist nun als Buch erschienen sowie im Internet unter
www.ag-spurensuche.de zu finden. jfi HEINRICH NUHN U.A. (H.G.):
DIE JUDENEICHE. EIN FIKTIVES TAGEBUCH.
95 S., 8,90 Euro (ISBN 3-933734-07-X)
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