
In
dem Gebäudekomplex an der Fulda befand sich die Heß’sche
Mühle (ehem. landgräfliche Herrenmühle). Die Söhne
von Herz Heß ließen 1905 das Werk mit einer 120-PS-Turbine
zu einem der leistungsfähigsten seiner Art in Hessen umbauen (1923
abgebrannt). Herz Heß (1819-1892) gehörten weitere Liegenschaften
in und um Rotenburg, u. a. das Gut Wüstefeld und das ehem.
Kasernengebäude (Bürgerstraße 3). Er war Kreisvorsteher
der Jüdischen Gemeinden und der am höchsten besteuerte Bürger
in Stadt und Kreis Rotenburg.
Auch im städtischen Leben spielte Herz Heß eine wichtige Rolle.
Ab 1873 war er im Rathaus als Mitglied im „unständigen Ausschuss“
tätig, einer Art Vorläufergremium der späteren Stadtverordnetenversammlung.
1888 wurde er sogar in das höchste Gremium der Stadt, den 8-köpfigen
„ständigen Bürgerausschuss“, gewählt, und zwar
mit der höchsten Stimmenzahl, wie aus der Veröffentlichung des
Wahlergebnisses im Rotenburger Kreisblatt vom 8. Sept. 1888 zu ersehen
ist. Er nahm dieses Amt, das etwa dem eines Stadtrats bzw. Magistratsmitglieds
entsprach, bis zu seinem Tod 1892 wahr.
1878 hatte Herz Heß die Herrenmühle gekauft. 1905 ließen
seine Söhne einen Neubau errichten. Das Rotenburger Tageblatt
berichtete darüber in seiner Ausgabe vom 28. März 1905: „Der
Neubau der Heß´schen Mühle hierselbst wird dieses Werk
voraussichtlich zu einem der leistungsfähigsten seiner Art in Hessen,
sowohl hinsichtlich der Quantität wie Qualität seiner Produzierungen
machen. Die Reinigung und Vermahlung des Getreides wird vollständig
automatisch, also ohne Unterbrechung des Laufes erfolgen. Wie wir erfahren,
wird zu der bisherigen in Gebrauch befindlichen Turbine von 45 PS. eine
neue von 120 PS. künftig zur Anwendung kommen; 500 Ctr. (=Zentner)
Weizen und 200 Ctr. Roggen können dann täglich zur Vermahlung
gelangen, ohne daß die Mühle mit diesen Zahlen die Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit erreicht haben dürfte.“
Näheres
zu Herz Heß
Auf der
gegenüberliegenden Straßenseite vor dem Geländer
der Fuldabrücke (jetzt Standort einer bronzenen Jünglingsfigur)
war in der NS-Zeit der Schaukasten für das NS-Hetzblatt "Der
Stürmer" aufgestellt.


Neustadtstraße
1
Gegenüberliegend
an der Gabelung der Straßen Am Kies / Neustadtstraße in Richtung
der neuen Fuldabrücke war das Wohn- und Geschäftshaus der Familie
Brandes (jetzt Gaststätte Zum Eckchen).
Moses Brandes flüchtete mit seiner Familie in der NS-Zeit nach Südafrika,
wo er sich in der Nähe von Kapststadt eine Existenz als Einzelhändler
aufbauen konnte. Er war der letzte Vorsteher der Synagogengemeinde Rotenburg
vor deren gewaltsamen Auflösung 1938.

Geschäftsanzeigen
aus dem Rotenburger Kreisblatt 1896-1924
Das Foto zeigt das
Haus Brandes im Februar 1909 – Hochwasser wie auf diesem Foto gehörten
bis zur Regulierung der Fuldaaue in den 1990er Jahren für die Anrainer
in diesem Teil der Stadt Rotenburg zu jährlich wiederkehrenden, teilweise
die Existenz bedrohenden Naturereignissen.

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