Das NS-Hetzblatt "Der Stürmer" veröffentlichte ein Foto einer "Aufklärungstafel in Rotenburg/Fulda"
Mit Rücksicht auf die 1936 in Berlin stattfindenden Olympischen Spiele erging am 13.02.36 Anweisung an die lokalen Behörden die im Straßenbild sichtbaren Diskriminierungen zu entfernen. "Bis zum 1.5.36 ist zu berichten, dass die Verfügung in allen Orten Beachtung gefunden hat und in Frage stehende Judenschilder entfernt oder geändert wurden", heißt es in der entsprechenden Rundverfügung der Preußischen Geheimen Staatspolizei.
Aus einem Brief des Hersfelder Landrats Bienert vom 6.5.36 geht hervor, dass Schilder bzw. Holzfiguren mit antisemitischen Aufschriften in einer Werkstatt in Bebra, Kreis Rotenburg/Fulda, angefertigt wurden. Mutmaßlich waren es Nachbildungen von entsprechenden Holzplastiken aus der Werkstatt, die der Bildhauer Hugo Ziegler und der Kunstmaler Karl Lange in Nürnberg betrieben. "Die Schilder sind ein Kunstwerk, und zugleich ein weithin sichtbares Warnungszeichen für die Einwohnerschaft und die Besucher", wie im "Stürmer" (Nr.7, Februar 1936) zu lesen ist.
Der NS-Hetzblatt "Der Stürmer" war offenbar von den Kunstwerken aus unserer Region so beeindruckt, dass es sie in zwei Ausgaben durch Abdruck würdigte. Wir zeigen hier das Beispiel Rotenburg, ebenso wurde den Lesern des "Stürmers" eine Spottfigur im benachbarten Baumbach präsentiert.
Spätestens 1935/36 musste jedem klar werden, welche Stellung den jüdischen Mitbürgern im Dritten Reich zugedacht war. Der Rotenburger Landrat von Kruse lobte in seinem Lagebericht vom 24. Oktober 1935 die in den einzelnen Ortschaften aufgestellten Tafeln, "die das volksschädigende Wirken des Juden in eindrucksvoller Weise darstellen". Aus Steuergeldern mussten die Gemeinden entsprechende Schilder und Tafeln mit Judenfiguren kaufen und aufstellen. "Diese Figuren sind aus Holz geschnitzt, mit Ölfarbe gut angestrichen und etwa 3/4 m hoch. Die Juden sind mit diesen Figuren charakteristisch gut getroffen, und die Schnitzerei ist nicht ohne Kunstwert." Mit Lob versah der Landrat diejenigen Kreisbewohner, die antijüdische Schilder "durchweg auf Privatgrundstücken an öffentlichen Wegen" aufgestellt hatten. Zugleich aber stellt der Landrat mit Bedauern fest, dass es "in judenfreundliche Kreisen" der Bevölkerung Schimpferei gab - mit dem Tenor, "dass das Geld der Gemeinden für bessere Zwecke ausgegeben werden könne". Ein Richelsdorfer "Erbhofbauer, der sich schon seit Jahren, obwohl er einmal Parteigenosse war, judenfreundlich erwies und gegen die Aufstellung der Schilder gehetzt hatte", wurde für eine Woche in "Schutzhaft" genommen, weil man ihn verdächtigte, die von der dortigen Ortsgruppe der NSDAP aufgestellten Schilder entfernt zu haben. (Landratsbericht vom 25.02.1936)


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