Antisemitische
Daueroffensive
( 1893 - 1898 )
Werner liess die Zeit zwischen den Wahlterminen nicht ungenutzt. Im Gegensatz
zu den Honoratiorenparteien der Konservativen und Nationalliberalen beschränkten
die Antisemiten ihre Tätigkeit nicht auf die Zeit der unmittelbaren Wahlvorbereitungen.
Auch ausserhalb der eigentlichen Wahlkämpfe berief Werner "Volksversammlungen"
ein, bei denen schon in den neunziger Jahren bis zu 300 Zuhörer gezählt
wurden. Die Antisemiten wussten, dass die latente judenfeindliche Stimmung allein
durch kontinuierliche Agitation für ihre Pläne nutzbar gemacht werden
konnte und vorübergehende Ruhe in der Judenfrage die Existenz ihrer Bewegung
aufs Spiel setzte. Daher sahen sie sich gezwungen, immer wieder ihren "Weckruf"
erschallen zu lassen. "Agitation erzeugte für sie die Luft, in der
sie gedeihen konnten." Wie die Sozialdemokraten in den folgenden Jahrzehnten
schufen die Antisemiten keine bloße Wahlorganisation, sondern waren ständig
um die Werbung neuer Anhänger bemüht, d. h. sie führten einen
permanenten Wahlkampf. Von seinem Wahlsieg bei der Reichstagswahl im Juni 1893
bis zum Beginn des Wahlkampfes für die Reichstagswahl 1898 hielt der Antisemit
Werner insgesamt 81 Versammlungen im Wahlkreis ab, meist mit einem Rechenschaftsbericht
über "Meine Tätigkeit im Reichstag", in dem er als Schriftführer
der Haushaltskommission als einer der fleißigsten Abgeordneten galt; im
Plenum ergriff er von 1893 - 1898 insgesamt 130 mal das Wort. Werner war der
Typ des antisemitischen Apostels, der sich ernstlich als Erwecker fühlte
und es als seine Pflicht gegenüber der "mystifizierten" Nation
ansah, die Bevölkerung unablässig auf die von den Juden drohenden
Gefahren hinzuweisen.
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