Am
Beispiel von Hersfeld und Fulda wird ersichtlich, daß Juden offensichtlich
lange vor der Erteilung des Judenregals Aufnahme fanden. Da es ein einträgliches
Geschäft darstellte, wurde das Recht des Abtes, den Juden Schutzbriefe
auszustellen und sie gegen Geldzahlung aufzunehmen, später von der Stadt
immer wieder in Frage gestellt. Im Jahre 1378 erhielt die Stadt auf Grund einer
Klage gegen den Abt vor dem Reichsgericht als Sicherheit - im Falle der Nichtzahlung
einer verhängten Strafe - Zugriff "an den Juden, die da wohnen in
der eigenen Stadt zu Hersfeld".
Die Begehrlichkeit seitens der Stadt auf die Juden war damit geweckt. Um den
Streit gütlich zu beenden, brachte Landgraf Hermann am 12. Mai die beiden
Parteien, Abt und Bürger, dazu, zu schwören, seinen schiedsrichterlichen
Anordnungen Folge zu leisten. Beide Seiten brachten daraufhin erneut ihre Beschwerden,
Anklagen und Entgegnungen vor. Gegen die Anklagen des Abtes inszenierte der
Schöffe Brückenmüller am Morgen des 12. September 1379 einen
eindrucksvollen Marsch der gesamten Bürgerschaft, Christen und Juden, zum
Eichhof, um vor dem Abt den vom Landgrafen vorgeschlagenen Reinigungsschwur
zu leisten. Im Zusammenhang mit dem Marsch werden zum ersten Mal auch drei Juden
als Bürger von Hersfeld bezeichnet, leider aber keine Namen. Die Abtretung
des Rechtstitels an den Juden, die der Hersfelder Abt 1378 leisten mußte,
wurde neben anderen Absprachen bereits 1381 in einem Sühnevertrag wieder
aufgehoben, als sich Stift und Stadt in einem Sühnevertrag auf gegenseitige
Anerkennung der Rechte, Freiheiten und Gewohnheiten verständigten. Ein
möglicher Zugriff auf die Juden war damit für die Stadt vorerst ausgeschlossen.
Abt Berthold nimmt 1382 den Juden David mit Frau, Kindern und Gesinde zu Hersfeld
zu seinem Juden und Bürger auf und bietet für 4 Jahre Schutz in der
Stadt gegen die Zahlung von 4 gute kleine Goldgulden. Niemand soll den Juden
David zu Geschenken nötigen oder ihm Gaben abnehmen, es sei denn er tut
dies freiwillig. Auch soll ihn niemand vor das Stiftgericht oder ein auswärtiges
Gericht ziehen, es sei denn nach altem Judenrecht. Damit wurde zum ersten Mal
einem Juden eine Rechtsposition eingeräumt, die es bislang nicht gab.
Mit den Juden Leuwin und Salaman, die 1387 dem Abt Berthold 700 Goldgulden liehen,
enden die Überlieferungen über Hersfelder Juden für fast 100
Jahre. Wir wissen nicht warum. Sind die Urkunden verloren gegangen oder fanden
keine Aufnahmen statt? Abt Berthold stirbt 1387 und seinem Nachfolger im Amt,
Abt Hermann von Altenburg wurde nachgesagt, "er ließ die Dinge laufen
wie sie liefen".
Anders Abt Albrecht, der 1417 den Abtstuhl bestieg. Einmal als Geistlicher.
Er war Teilnehmer des Konzils von Konstanz, der einberufen worden war, um eine
Reform an Haupt und Gliedern der Kirche durchzuführen. Dann als Fürst,
der es den Bürgern zeigen wollte. Mit harter Hand griff er durch und sorgte
auch im verlotterten Kloster für Ordnung. Seine Teilnahme am Konzil könnte
ein Indiz dafür sein, daß er vielleicht ein Eiferer war, der sich
die Beschlüsse des Konzils zu eigen machte und die waren alles andere als
judenfreundlich. Die Juden wurden vielerlei Verbrechen angeklagt und bestraft.
Die Konstanzer Juden wurden verurteilt, für die Kosten des christlichen
Konzils aufzukommen, wollten sie nicht den Flammentod erleiden.. Da sie das
Geld nicht besaßen, mußten sie es sich bei Schweizer Juden leihen.
Auch andere Städte erkannten die Gunst der Stunde, um ihre Schulden los
zu werden. und vertrieben ihre Juden, so beispielsweise Speyer 1405, Mainz 1432,
Würzburg 1453, und Erfurt 1458. Es wird wohl der Geist von Konstanz gewesen
sein, der die Hersfelder Äbte für einige Jahrzehnte von der Aufnahme
der Juden abhielt.