Am 11.3.1803 übersendet der Rotenburger Amtmann eine neuerliche Taufbitte an den Landesherrn, diesmal vorgelegt von dem in Rotenburg geborenen Isaac Kappel, Sohn des “jüdischen Lehrers der jüdischen Gemeinde hier in Rotenburg“. Er war in und bei Mannheim bei Verwandten aufgewachsen, nach dem Tod des Vaters aber nach Rotenburg zurückgekehrt. Die Erkenntnisse, die betreffs der Person des Isaac Kappel vorlagen, sprachen dafür, dem Supplikanten seinen Wunsch zu erfüllen, allerdings nicht ohne vorherigen christlichen Unterricht. Bevor dieser beginnen konnte, nahm der Kasseler Superintendent Rommel eine sorgfältige Prüfung des Kandidaten vor, die in dem ausführlichen Prüfungsbericht vom 25.4.1803 festgehalten ist.
Insgesamt kommt der Superintendent zu einer positiven Beurteilung des Kandidaten, der “sich schon durch sein Äußeres empfiehlet und vor andern seiner Nation auszeichnet”. Ebenso sei “auch nicht zu verkennen, daß er auf einer höheren Stufe der Geistesbildung stehe als viele seiner Glaubensgenossen und es ihm gar nicht an Verständnislosigkeiten fehle, daher er sich auch über Judentum, jüdische Zeremonien und Gebräuche sowie über die Lächerlichkeiten des Talmuds auf eine Art äußert, welche wenigstens zu erkennen gibt, daß er darüber gedacht habe und erwarten läßt, daß er “bei einem zweckmäßigen Unterricht den hohen und göttlichen Wert des Christentums mit Überzeugung fassen und erkennen werde”. Trotz des positiven Gesamteindrucks, den Isaac Kappel auf den Geistlichen macht, kann dieser erst nach gründlichem Prüfungsgespräch und sorgfältigem Abwägen des Für und Wider seine zustimmende Empfehlung zur Taufe des Rotenburger Juden geben. Er macht sich keine Illusionen darüber, was Juden in der Regel zum Übertritt zum Christentum veranlaßt, nämlich “irdische Absichten”. “Indessen gibt es auch Ausnahmen, ob sie gleich äußerst selten sind.” Eine solche Ausnahme hält Rommel im Falle des Isaac Kappel für durchaus denkbar: “..., und wenn ich denselben Versicherungen des Kappels trauen darf, so ist es nur bessere Einsicht und Überzeugung, was ihn nötigt, das Judenthum zu verlassen.” Kappel wurde von Rommel “auf das aufmerksam gemacht, was er zu erwarten und zu fürchten haben würde, wenn nur irdische Absichten ihn leiten würden”. Der Superintendent kommt schließlich zu dem Fazit, daß es Kappel “bei seinem Übergang zum Christentum nur darum zu tun sei, in dieser Religion und insbesondre in der reformierten Kirche die Beruhigung zu finden, die er im Judentum nicht weiter finden könne.”
Die beiden Rotenburger Geistlichen plagten weniger Skrupel bei ihrem Urteil über den Taufwilligen, den sie “zur Erreichung seines Zwecks (...) als einen ehrlichen Mann empfehlen” und dem sie “mit dem besten Wissen das rühmlichste Zeugnis nicht versagen können”. Sie waren sich in ihrem Schreiben vom 15.3.1803 dessen gewiß, daß “ihn Überzeugung leitet” und er daher “alle nur mögliche Unterstützung verdient, eine Unterstützung, die ihm bei seiner Armut nicht von seinen Glaubensgenossen, die ihn überall kränken und verfolgen, sondern nur von höheren christlichen Gönnern und Menschenfreunden zuteil werden kann”.

  13
 
Die Rotenburger Brotgasse in alter (unten) und neuer Zeit (oben)
Die 1853/54 an gleicher Stelle neu erbaute Schule der jüdischen Gemeinde Rotenburg in der Brotgasse (4. Haus - rechte Seite)
 
 
     
Zurück Menü Vor