Nur ein einziger Fall einer Bekehrung eines Juden wurde in jenen Jahren bekannt. 1651 ließ sich ein Jude von dem Simmershäuser “Missionspfarrer” Christoph Nöding auf den Namen Christian taufen. “Die übrigen Juden im Lande baten inständigst, sie mit der Plage zu verschonen, da sie sich doch nicht bekehren würden. Und da auch die weltlichen Beamten wenig und natürlich noch viel weniger Lust als die geistlichen zu dem Werke zeigten, so wurde durch Beschluß des Konsistoriums vom 2. Februar 1652, in der Erwägung, daß man Gott Zeit und Stunde zu solcher Bekehrung der Juden nicht vorzuschreiben habe, und in der Hoffnung, er werde zu der ihm gefälligen Zeit die gehaltenen Predigten ihre Wirkung noch tun lassen, die Arbeit eingestellt bzw. dahin eingeschränkt, daß die Pfarrer an denjenigen Orten, wo Juden wohnhaft waren, diesen letzteren den eigens verfaßten Judenkatechismus von Zeit zu Zeit erklären und abfragen sollten. Dabei hatte es sein Bewenden und die Sache schlief ein. Wäre man der Einsicht des Rotenburger Dekans Johannes Crollius gefolgt, hätte man sich die entsprechenden Bemühungen schon früher sparen können. Am 20. April 1648, also im Frühstadium der versuchten Bekehrungsaktion, ließ Dekan Crollius das Kasseler Konsistorium wissen, wie gering er aufgrund seiner diesbezüglichen Rotenburger Erfahrung “mit solchen bloßen Predigten” die Erfolgschancen insgesamt einschätzte. Mit dieser Lagebeurteilung, daß sie nämlich mit den Predigten “nichts würden ausrichten”, war sich der Rotenburger Geistliche mit seinem Spangenberger Kollegen Henricus Knobelius, mit dem er sich bei diesen Predigten abwechselte, vollkommen einig. In seinem Brief an das Konsistorium berichtete er, daß “die Juden den Predigten ohne einige Aufmerkung und mit Bezeigung seltsamer Gebärden beiwohnen”. Der Jude Simon nehme sich sogar heraus, nicht einmal zu den Predigtterminen zu erscheinen. Nachdem der Rotenburger Dekan zu der Erkenntnis gekommen war, daß den Predigtbemühungen kein Bekehrungserfolg beschieden sein würde, lud er die Rotenburger Juden zu einer “Privatkonferenz” in sein Haus ein, um dort zu überprüfen, ob aus den bis dahin gehaltenen Predigten etwas hängengeblieben sei. In einer Aussprache in seinem Haus könne er sich den Juden gegenüber freundlich verhalten, um ihnen so “den Grund unseres christlichen Glaubens aus den Schriften des alten Testaments zu zeigen”, besser jedenfalls als “in einer Predigt, darauf sie doch nicht Achtung geben”. Dekan Crollius hatte seine Predigerrolle vor der versammelten Judenschaft “mit Verdruß und ohne Nützen” erlebt und deshalb nach einem Ausweg gesucht, damit sein “Predigtamt nicht verlästert werde”. Zu seiner “eigenen Wohlfahrt”, meinte der Dekan, dürfe man dem “eigensinnigen Volk” seinen Willen nicht gestatten und müsse zu “der Juden eigenem besten” sie mit der christlichen Botschaft konfrontieren, um sie so vor “schwerer Verdammnis” zu bewahren. Zugleich sah sich der Missionar aber auch “zur Rettung unserer Seelen” zu seinem Bekehrungswerk in die Pflicht genommen.
Die Rotenburger Juden zeigten dem Geistlichen jedoch die kalte Schulter und ignorierten ganz einfach seine Einladung. Diese Erfahrung brachte den Rotenburger Dekan zu der Erkenntnis, daß die Bekehrungsarbeit nur von Erfolg gekrönt sein könne, wenn ernsthafte Zwangsmaßregeln damit verknüpft würden.
Wie gering auch dann die Erfolgsaussichten waren, läßt sich aus der Tatsache schließen, daß die Rotenburger Juden selbst durch die Androhung harter Strafen seitens des Oberschultheißen sich nicht hatten bewegen lassen, den Einladungen des Dekans zu privaten Zusammenkünften in seinem Haus und damit verbundenen Besprechungen seiner Predigten zu folgen. Tod oder Taufe: Nicht mehr wie im späten Mittelalter vor diese Alternative gestellt, waren die Juden dank ihrer Glaubensfestigkeit jetzt weitgehend immun gegenüber christlicher Bekehrung.
Zu insgesamt 17 Bekehrungspredigten, abwechselnd von Dekan Crollius und dem Spangenberger Pfarrer Knobelius gehalten, war es in Rotenburg in dem Zeitraum von 1647 bis 1650 gekommen - bis zuletzt ohne meßbaren Erfolg. “Als in Christus erfüllet”, hieß es in einer Verordnung von 1651, sollten die Pfarrer den Juden die messianischen Weissagungen des Alten Testaments vermitteln.21 Den Juden fehlte dafür aber jegliche Einsicht. In dem Zustand der Welt, gerade in den kriegerischen Auseinandersetzungen und Wirren des 17. Jahrhunderts, konnten sie alles andere als eine Erlösung und Vollendung erkennen - dieses göttliche Werk hatte also noch zu geschehen.
Wilhelm VI., der 1650 die Regentschaft in der Landgrafschaft übernahm, ließ die Praxis der Zwangspredigten zwar bald einstellen, machte den Juden aber den noch von seiner Mutter veranlaßten “Judenkatechismus” zur Pflichtlektüre. Allerdings waren damit keine Kontrollmaßnahmen verbunden. Ohne meßbaren Erfolg blieb auch die 1650 veröffentlichte Sammlung von 22 Predigten, die Dekan Soldan im Kasseler Rathaus gehalten hatte. Mit Wachs und Baumwolle sollen sich die Kasseler Juden ihre Ohren verstopft haben, um die Gefahren für ihre Glaubensfestigkeit zu mindern.

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Das alte Pfarrhaus der Rotenburger Altstadtgemeinde in der Löbergasse, dahinter die Jakobikirche, rechts der sog. Hexenturm.
     
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