Die
Rotenburger Judengemeinde zählte damals (1650), nachweislich der Geschoßliste
(=städtische Wohnungssteuer), insgesamt acht Familien, also ca. 40 bis
50 Personen. Es waren dies die Familien der Juden Abraham, Ruben, Levy Apt,
Salmon Hundtsfelt, Levy und dessen Sohn sowie Mosch und dessen Sohn. Alle Rotenburger
Juden wohnten damals in der Altstadt, d.h. am linken Fuldaufer. Die höchste
Abgabe an die Stadt hatte der Jude Mosch zu leisten: 1 Gulden und 15 Albus pro
Jahr. 22 christliche Rotenburger in der Altstadt zahlten einen höheren
Betrag, aber 50 zahlten weniger. Der Jude Simon, der sich 1648 dem Predigtappell
entzogen hatte, war inzwischen aus Rotenburg verzogen. Bis zur Jahrhundertwende
vergrößerte sich die Zahl der jüdischen Familien auf 13. Neben
acht Familien in der Altstadt lebten 1700 auch fünf Familien in der Rotenburger
Neustadt, d.h. rechts der Fulda. Bemerkenswert dabei die Adresse des Juden Levi:
die Landvogtei. Die Landvogtei war 1623 von Landgraf Moritz seiner Gattin Juliane
als Witwensitz vermacht worden. Nach deren Ableben diente sie als Gaststätte,
in die der Rotenburger Landgraf Ernst 1662 einen Juden setzte, nämlich
den oben genannten Levi, und zwar unter der Bedingung, daß in der Stadt
kein Wein verzapft werden würde. Das Recht des Weinausschanks bedeutete
für den Pächter eine hervorragende Einnahmequelle, die ihm der städtische
Rat allerdings streitig machte. Mit dem Amtsantritt von Landgraf Karl im Jahre
1677 und dessen merkantilistischer Wirtschaftspolitik änderte sich auch
die Politik den Juden gegenüber. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tüchtigkeit
und Abhängigkeit von einem starken Schutzherrn paßten diese durchaus
in das Konzept einer aktiven Einflußnahme auf das Wirtschaftsgeschehen
und die Bevölkerungsentwicklung. Das absolutistische Regiment von Landgraf
Karl beinhaltete nicht nur die Ansiedlung von aus Frankreich vertriebenen Hugenotten,
sondern brachte auch den Juden, deren Steuerkraft dem aufstrebenden Machtstaat
überaus willkommen war, einige Erleichterungen. So wurde ihnen in der 1679
erlassenen neuen Judenordnung ausdrücklich das Recht auf Ausübung
des Gottesdienstes zuerkannt und der Missionsgedanke behördlicherseits
praktisch ad acta gelegt.