1903 liefen Caprivis Handelsverträge ab, so daß die Schutzzollfrage wieder in den Mittelpunkt der Wahlpropaganda rückte. Durch die Heraufsetzung der Getreidezölle kam es zu Preissteigerungen der Lebensmittel, für die der Antisemit Werner jedoch das
"internationale Zwischenhändlertum an der Börse" verantwortlich machte. Die SPD richtete dagegen ihre Parole "Gegen den Brotwucher der Junker" direkt gegen Werner, weil dieser seine Agitation diesmal als Mitglied des Bundes der Landwirte aufzog und sich dessen Zielsetzung zu seiner eigenen gemacht hatte. Obwohl nicht offizieller Kandidat der agrarischen Interessenvertretung, vertrat Werner dennoch im Wahlkampf als Mitglied des BdL dessen Forderungen. Er hatte sich im Reichstag als "Freund des lückenlosen Zolltarifs und entschiedener Gegner der Aufhebung der Futtermittelzölle" gezeigt und vermochte es so, in den Augen vieler bäuerlicher Wähler die fehlende offizielle BdL-Unterstützung zumindest zu neutralisieren, stand doch seine Agitation unter dem ideologischen Überbau vom "Bauernstand als Fundament von Thron und Altar" . "Das antisemitische Fähnchen hatte Herr Werner während des Wahlkampfes ganz eingezogen ... Umsomehr wurden die Register der 'Mittelstandspolitik' gezogen", kommentierte das sozialdemokratische Volksblatt. .Die Abspaltung des konservativen Liebermann-Flügels der Deutschsozialen Reformpartei, der sich 1903 mit Christlich-Sozialen und Abgeordneten des BdL zur Wirtschaftlichen Vereinigung zusammenschloss, machte Werner nicht mit, sondern blieb Mitglied der Reformpartei, die sich jetzt Deutsche Reformpartei nannte. Die Konservativen entzogen Werner ihre Unterstützung; nach Ansicht des sozialdemokratischen Volksblattes deshalb, weil er seine Versprechungen zur Erfüllung einiger lokaler Sonderwünsche (Garnison v. a.) nicht erfüllen konnte. Werners Ansehen erlitt zudem eine Einbuße durch den Ausgang eines Beleidigungsprozesses, den er gegen den früheren Antisemiten Erdmannsdörfer anstrengte. Dieser hatte mehrfach behauptet, Werner habe seine Zugehörigkeit zum Reichstag dazu missbraucht, einem jüdischen Journalisten gegen Bezahlung Ausschussberichte zu liefern. Das Gericht bestätigte diesen Sachverhalt und stellte fest, Werner habe in seinem Dementi die Unwahrheit gesagt; Erdmannsdörfer wurde lediglich wegen formaler Beleidigung zu 50 Mark Geldstrafe verurteilt. Trotz der für ihn gegenüber 1898 ungünstigen Voraussetzungen setzte sich Werner auch 1903 sicher durch, bei absolutem Stimmengewinn, aber relativer Verschlechterung (Zunahme der Wahlberechtigten, höhere Wahlbeteiligung). Im Reich erlitten die Antisemiten bedeutende Verluste. Im Regierungsbezirk Kassel sank der antisemitische Stimmenanteil allerdings nur von 25,5 auf 23,9%.
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"Der Gott der Juden ist das Geld. Und um Geld zu verdienen, begeht er die größten Verbrechen. Er ruht nicht eher, bis er auf einem großen Geldsack sitzen kann, bis er zum König des Geldes geworden ist."
"In der Börse - Judas Schaar: herrschend war, herrschend bleibt, wenn niemand sie daraus vertreibt." Köln 1896
 
     
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