Der Kandidat der Konservativen Partei, Gutsbesitzer Franz von Bodelschwingh -Schwarzenhasel, konnte als Wahlkreisvorsitzender des Bundes der Landwirte auf dessen Wahlapparat zurückgreifen, der in den Wahlkämpfen zuvor das Feld dem "reinen" Antisemiten Ludwig Werner überlassen bzw. diesen unterstüzt hatte. Der Bund der Landwirte ging in seiner judenfeindlichen Argumentation - ähnlich wie die "reinen" Antisemiten - vom Klischee des herrschsüchtigen Wucherjuden aus, "der es darauf anlege, den deutschen Bauern auszuwuchern und von Haus und Hof zu treiben. Das Gefühl anonymer Bedrohung und wirtschaftlicher Unsicherheit wurde in dieser Gestalt personalisiert und aggressiv abreagiert." Zu diesem Resümee bezüglich der antisemitschen Propaganda des BdL kommt H. J. Puhle aufgrund der Auswertung von BdL-Publikationen aus dem Zeitraum 1897 bis 1909. Puhle bescheinigt dem BdL, im Hinblick auf seine Breitenwirkung "der wichtigste Multiplikator gezielter antisemitischer Vorurteile mit politischer Konsequenz" gewesen zu sein. In der BdL-Ideologie stellte der Jude "ebenso wie der Sozialdemokrat den diametralen Gegensatz zum Agrarier selbst dar, der sich in dieser Gegenüberstellung als der Vertreter des 'Deutschtums' schlechthin fühlte". Der BdL veränderte nachhaltig die Programmatik und den politischen Stil der Deutsch-Konservativen Partei. In enger organisatorischer und personeller Verflechtung kontrollierte er durchweg deren Basisorganisationen, Kandidatenauswahl und Politik. Die Wirksamkeit des BdL lag besonders in seiner "modernen" Verbindung von reaktionären Zielen, direkt demokratischen Techniken und präfaschistischer Ideologie. Für den Bund der Landwirte hatte der Antisemitismus einerseits die Funktion der Ablenkung von den tatsächlichen politischen Kontroversen und potentiellen sozialen Forderungen der ländlichen Bevölkerung, insbesondere im Hinblick auf deren Artikulierung durch Linksliberale und Sozialdemokraten.
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