Das Wahlergebnis der Reichstagswahl 1907
Mit 83,5% (1903 = 76%) entsprach die Wahlbeteiligung etwa dem Reichsdurchschnitt von 84,7%. Die Ursache für das Steigen der Wahlbeteiligung wird zweifelsohne in dem betont nationalen Akzent dieser Wahl ("Hottentotten-Wahl") zu suchen sein; ein solcher veranlaßte die nationalen und regierungstreuen Wähler stets zu einer größeren Wahlbeteiligung (vgl. die Reichstagswahlen 1887 und 1893). Bei einer Zunahme der Neuwählerzahl um rund 1.200, die rechnerisch identisch war mit der Zahl der erstmals Wahlberechtigten, verbuchte Werner im Landkreis Hersfeld einen Zuwachs von 994 Stimmen. Gegenüber 52,6% im Jahre 1903, 59,5% im Jahre 1898 mit offizieller BdL-Unterstützung und 27,3% bei der ersten Kandidatur 1893 erzielte Werner 1907 mit einem Stimmenanteil von 59,9% und einer Stimmenzahl von 3.591 sein prozentual wie auch absolut bestes Ergebnis im Landkreis Hersfeld. Werner festigte seine Position zu einem Zeitpunkt, da die antisemitische Bewegung im Deutschen Reich längst ihren Höhepunkt überschritten hatte. Es muß jedoch berücksichtigt werden, dass die "nationalen" Wähler lediglich die Wahl zwischen dem "reinen" Antisemiten Werner und dem agrarischen Antisemiten von Bodelschwingh hatten. Wieviel Prozent der Werner-Wähler den antisemitischen Teil seines Programms billigten, lässt sich schwer abschätzen, da ein liberaler Kandidat fehlte und Zentrum bzw. SPD keine Alternative sein konnten, zumal die von Reichskanzler von Bülow ausgegebene Wahlparole des Jahres 1907 lautete: "Kampf gegen Zentrum und Sozialdemokratie für die Belange des Reiches".

Die Stichwahlen 1903 - 1907
Trotz des klaren Vorsprungs, den Werner im Landkreis Hersfeld sowohl 1903 als auch 1907 hatte, mussten Stichwahlen über das Wahlkreismandat entscheiden, da Werner in dem überwiegend katholischen Landkreis Hünfeld deutlich hinter dem Zentrumskandidaten zurückblieb. Im Reichstagswahlkreis Hersfeld - Hünfeld - Rotenburg war Werner 1903 im ersten Wahlgang auf 42,5% der gültigen Stimmen gekommen. 1907 blieb er mit 46,4% knapp unter der für den Mandatsgewinn erforderlichen absoluten Mehrheit. In den Stichwahlen stimmten auf Wahlkreisebene 1903 67,1% für Werner, 32,9% für den Zentrumskandidaten Müller, 1907 lautete das Verhältnis 77,0 : 23,0 zugunsten von Werner. Im Landkreis Hersfeld siegte Werner in der Stichwahl 1903 mit 3.971 gegen 1.006 Zentrumsstimmen. Der Vorsprung Werners gegenüber den Zentrumskandidaten vergrößerte sich 1907 auf 5.072 gegenüber 401 Stimmen. Die Stichwahlen standen jeweils im Zeichen des Kampfes der Evangelischen um "den Glauben der Väter" gegen die "Gefahr des Zentrums". Bereits 1903 folgte nur ein Teil der SPD-Wähler des ersten Wahlgangs der Stichwahl-Parole ihrer Wahlkreisleitung, den Zentrumskandidaten als das kleinere Übel zu wählen und damit zu zeigen, dass die Sozialdemokratie den Rassenhass der Antisemiten verdammte. Mit Sicherheit kann für 1903 ein Votum von SPD-Wählern für Werner in den Gemeinden angenommen werden, in denen Werner deutlich mehr Stimmen erhielt als zusammen mit von Stockhausen im 1. Wahlgang und außerdem die Wahlbeteiligung. Ein Überwechseln von SPD-Wählern ins antisemitische Lager ist auch in den in der Tabelle 18 aufgelisteten Gemeinden anzunehmen, in denen sich die Wahlbeteiligung nur geringfügig erhöhte und Werner dennoch in der Stichwahl deutlich zulegen konnte: In erheblichem Maße aus eigener Kraft, d. h. aus erhöhter Wahlbeteiligung, gelang Werner 1903 eine Verbesserung in zehn Gemeinden. Die Hauptunterstützung erhielt Werner jedoch von Seiten konservativer Wähler, wie das Ergebnis von 29 Gemeinden zeigt, in denen Werner in der Stichwahl siegte und den größten Teil seines Stimmengewinns nicht der höheren Wahlbeteiligung, sondern konservativen Wählern zu verdanken hatte. In diesen 29 Gemeinden wurde wie folgt gewählt: Bei der Stichwahl 1907 erhöhte sich die Differenz in der Wählerzahl zwischen Werner und dem Zentrumskandidaten (Müller), und zwar sprunghaft von 2.965 auf 4.671 Stimmen. Werners Stimmenzahl kletterte im Landkreis Hersfeld von 3.591 auf 5.072: die konservativen Wähler folgten der Aufforderung von Bodelschwinghs und unterstützten in noch höherem Maße als 1903 die Antisemiten.

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